Frau Gula und der Riese Änother
In Mautern lebte in den Tagen Karl des Großen die reiche Witwe Gula, welche den Armen sehr viel Gutes tat. Der Ruf von ihrem Reichtume war sogar bis zu den Avaren gedrungen und bei einem Einfalle ins Donautal wollten sich diese Raubscharen auch ihrer Schätze bemächtigen. Doch die Frau flüchtete vor den Barbaren auf einem schnellen Pferde ins Gebirge. Sie halte dabei ihr Söhnlein auf dem Arme. Immer waren die Verfolger hinter ihr her. Endlich erreichte die Gehetzte den Oetscheberg, in dessen Höhlen sie sich geborgen wußte. Im Taubenloche schlug sie ihre Wohnung aus, während die unermeßlichen Schätze an Gold und Silber ein gutes Versteck im Geldloche fanden. Ungestört lebte hier die Witwe dahin. Ihr Söhnlein gedieh in der kräftigen Bergluft so gut, daß es zu einem Riesen heranwuchs. Er führte den Namen Änother. Als Kaiser Karl den großen Heereszug gegen die Avaren unternahm, schloß er sich ihm an und jagte den Feinden, unter welchen er furchtbar wütete, den größten Schrecken ein. Nach der Vernichtung der Avaren ließ sich Änother in Wien nieder, wo er der Stammvater eines blühenden Geschlechtes wurde. Seine Mutter blieb aber bis zum Tode im Taubenloche und ihre Schätze im Geldloche, wo sie bis heute noch niemand gefunden hat.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 78, S. 85