Markgraf Gerold und seine Töchter
In einem siegreichen Feldzuge dränge Kaiser Karl der Große die Avaren aus unserem Heimatlande und errichtete die Ostmark. Als Markgrafen setzte er daselbst seinen Schwager Gerold ein. Dieser soll sich, wie das Volk erzählt, auf dem waldreichen Prackersberge bei Melk ein herrliches Schloß erbaut haben, in welchem er mit seinen drei Töchtern, deren eine Salome hieß, ein schönes Leben führte. Da erhoben sich aber die Avaren wiederum und Markgraf Gerold siel dem Aufstande zum Opfer, seine Burg wurde entweder zerstört oder sank selbst in Trümmer. Nur mehr die Stelle der Burgzisterne ist durch einen Tümpel auf dem Berge erkenntlich. Man weiß auch nicht, was mit den Töchtern geschah. Da es aber seit Jahrhunderten auf dem Prackersberge spukt, wird dies der Salome und ihren Schwestern zugeschrieben. Ihre Geister vergnügen sich damit, Wanderer irre zu führen. Einst täuschten sie drei Hundwerksburschen die stolze Burg vor Augen, lockten sie als liebliche Prinzessinnen an und versprachen ihnen sogar die Ehe, wenn sie ein Eichhörnchen, das Rätsel ausgibt, eine Geschichten erzählende Goldammer sowie eine Nachtigall mit Menschenstimme fänden. Beim vergeblichen Suchen nach diesen drei Geschöpfen zerkratzten sich die Gesellen nur das Gesicht völlig.
Zur Erinnerung an jenen ersten Markgrafen der Ostmark wurde ein Dorf
in der Nähe seines Sitzes Gerolding genannt und ein Waldgraben gegen
Mauer zu heißt heute noch Salomegraben.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 11, S. 21f