Der Geist der bösen Kaufmannin
Vor mehr denn 50 Jahren lebte zu Gut am Steg im Spitzer Graben eine ser böse, streitsüchtige Ausgedingerin, namens Kaufmann, mit der sich niemand vertrug. Sie drohte ihren Besitznachfolgern immer, nach dem Tode umzugehen, wenn sie ihr Ausgeding nicht recht gut genießen könne. Eines Tages stritt sie wieder mit Nachbarn auf dem Felde, stürzte dabei zusammen und war tot. Sie wurde sofort ganz schwarz, weil der Teufel ihre Seele holte. In ihrem Wohnhause geisterte es nachher sehr arg. Ein schwarzer Hund erschien jede Nacht und jagte Mensch und Vieh Schrecken ein. Allerhand Bosheiten geschahen, die Rinder wurden durcheinander gejagt und brüllten oft laut auf. Besonders arg ging es beim Schweinstall zu. Niemand wollte mehr in dem unheimlichen Hause bleiben. Vergebens versuchten die Ortsleute, die geisternde Kaufmannin zu beschwören und zu bannen. Man bat den Pfarrei um Rat und Hilfe. Dieser kam und begann in der Nacht die feierliche Beschwörung. Rasch huschte aber der Geist zur Türe herein und schlug das Kreuz sowie die Kerzen vom Tische weg, so daß nichts ausgerichtet werden konnte. Nun holtee man den neugeweihten Kooperator Anderl von Spitz herbei, welcher abermals das Beschwören wagte. Auch ihm leistete das hartnäckige Wesen argen Widerstand und warf demselben vor, daß er selbst etwas auf dem Gewissen habe, da er seiner Mutter Eier gestohlen. Anderl erwiderte:
"Das ist doch keine Sünde, was man der Mutter als Kind nimmt. Zudem habe ich es nur getan, weil ich in der Kirche Gloria singen mußte."
Nachdem alle Beschwörungen vergebens waren, entschloß sich der Kooperator, den Geist nach Arnsdorf zu verbannen, und zwar, wie die einen sagen, in die Felsen der roten Wand oder nach der Meinun anderer in den Bildstock im Buchentale.
Noch in derselben Nacht ging Anderl nach Spitz zur Ueberfuhr. Er hat
entweder einen schwarzen Hund oder eine Frau mit zerzausten Haaren bei
sich gehabt. Man stieg in die Zille, welche, wie von einer sehr schweren
Last gedrückt, sogleich tief einsank, daß der Ueberfuhrknecht
Peter Neuwirth das Untergehen fürchtete. Seine Angst wurde noch größer,
als mitten auf der Donau ein heftiger Sturm begann. Mühsam wurde
das andere Ufer erreicht. Mit den Worten: "Gott sei Dank, daß
wir herüben sind," sprang der junge Geistliche ans Ufer und
sagte zu Neuwirth, er solle ja niemand nach Spitz überführen,
bis er selbst zurückkomme, und sei es wer immer. Daraus entfernte
er sich gegen das Buchental zu jenem Bildstocke.
Kaum war er fort, so kam zum wartenden Schiffsmanne ein altes Weiblein
und bat, es nach Spitz überzuführen, da man wegen eines Kranken
den Bader brauche. Sie jammerte und bettelte, aber Neuwirth ließ
sich nicht erweichen. Da wurde die Alle sogar grob, worauf er ihr mit
dem Erschlagen drohte. Nun verschwand sie endlich. Statt des Weibleins,
heißt es auch, seien mehrere schwarz angezogene Frauen gekommen,
welche vergebens um das üeberfahren gebeten haben.
Nach etwa einer Stunde kam Kooperator Anderl ganz erhitzt zurück, sprang ins Schifflein und ließ rasch abstoßen. Da sahen sie das Weib schon wieder und der Priester meinte: "Gott sei Dank, daß wir vom Ufer weg sind, jetzt muß sie schon drüben bleiben." Nach anderem Berichte soll gleich nach dem Abstoßen ein Hund nachgelaufen gekommen sein, der in den Kahn springen wollte. Dieser war aber schon zu weit vom Ufer weg.
Nachdem nun die böse Kaufmannin in den Bildstock gebannt war, sah
man bei Nacht oft ein Licht durch das Buchental den Berg auf- und abwandeln.
Gut am Steg war aber durch den mutigen Kooperator Anderl von seinem Schrecken
befreit, was nur deshalb gelungen ist, weil der Geist dem braven Priester
keinerlei Sünde nachweisen konnte. Der Schiffmann Peler Neuwirth
wagte es sogar später, trotz jener schauerlichen Ueberfahrt das Haus
zu kaufen, in dem die böse Kanfmannin gegeistert hatte.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 45, S. 55ff