Die Kremser Burg und ihre Schätze
Am Südende des hohen Marktes steht ein stattliches Gebäude, in welchem das Volk ganz richtiger Weise immer ein Ritterschloß gesehen hat. Schon vor hundert Jahren erzählte man sich von diesem Gebäude, der Ritterorden der Tempelherren hätte es dereinst besessen, weshalb auch von einem Kloster gesprochen wird.
Natürlich ist bei dieser Burg ebenfalls viel vom unterirdischen Gange die Rede, der bis nach Rehberg hinaufgeführt habe, insbesondere weiß man von verborgenen Schätzen zu berichten. Wie in der folgenden Sage angeführt wird, gelangte man von einem Gange im Verließ aus zu einem Schatzgewölbe, und in der Burgkapelle soll ein Ritter einen Schatz vergraben haben. Ein verschütteter Brunnen, der sich aber nirgends mehr feststellen läßt, birgt sogar ganz auf dem Grunde die Wenzelskrone von Böhmen. Einmal sei im Verbindungsgewölbe zwischen beiden Höfen bei der Wäscherolle ein bedeutender Schatz gefunden worden, und zwar Messegewänder, eine Monstranze, ein Prälatenkreuz und viel Geld, insbesondere ein ganzes Schaff voll Kupferkreuzer.
Selbst von einer Schatzotter wird in der Burg erzählt. In Vollmondnächten kommt während des Sommers im Garten ab und zu eine dunkle Schlange mit einem goldenen Krönlein auf dem Haupte hervor. Wer vorher ein weißes Tuch auf dem Grase ausbreitet und eine Schale mit Mich darauf stellt, der macht der Schlange große Freude, sie legt ihren Schmuck ab und labt sich an dem Tranke. Wird das Tierlein dabei durch einen Menschen gestört, dann fährt es sogleich wieder mit der Krone ab; stört es aber niemand, dann kann es geschehen, daß die Hausotter zum Dank für die Labung das wertvolle Krönlein liegen läßt.
Auch verschiedene Geister treiben in der Burg ihr Unwesen, so ein Kapuziner
und eine weiße Frau. Insbesondere zur Adventzeit hört man während
der Nacht im Gärtlein bei der allen Katharinenkapelle Glockenläuten,
starkes Jammern sowie Poltern. Vom Hause Hoher Markt Nr. 12 (Gastwirtschaft
zu den drei Raben) erzählt man sich, daß im Pferdestalle, der
einstmals die Burgküche war, zur Nachtzeit ein Ritter aus einem Mauerloche
herauskomme und umherwandle.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 95, S. 97f