Der Fuhrmann im Neideck
Wenn man durch den Förlhofgraben hinaufwandert, kommt man in das Neideck, einen schönen Wald, in welchem einst ein Schloß gestanden sein soll. Als sein Eigentümer gestorben war, haben nach der Volksüberlieferung mehrere Unterloibner mitsammen den Besitz gekauft. Das Schloß sei verfallen und in den noch heute aus einer Waldwiese sichtbaren Mauerresten jenes Gebäudes geht es sogar um. Man hört Klopfen und kann verschiedenen Spuk wahrnehmen. Das Volk heißt die unheimliche Stelle "die Oedmauer".
In der Nähe davon bei einem Kreuze graste einst eine Bauersfrau
aus Unlerloiben (die Godl [Patentante] der Erzählerin). Sie hatte
schon ziemlich viel beisammen und, da es bereit spät geworden, wollte
sie eben mit der Arbeit aufhören. Plötzlich kam ein Weinfuhrwerk
herzu gefahren. Schon von weitem schrie der Fuhrmann: "Hü, Hü".
Die Frau dachte sich, da könne sie gleich ihren Grasbinkel aufladen
und mitfahren. Der Rosselenker aber, welcher sich ganz an den Wagen drückte,
gab aus ihre Bitte gar keine Antwort, sondern rief fortwährend sein:
"Hü". Er kam aber trotz alles Antreibens der Pferde nicht
weiter, weil ihn eben das Kreuz nicht vorbei ließ. Aus einmal riß
er die Pferde herum und fuhr mit einem großen Satze in die Oedmauer
hinein, wo er verschwand. Nun kam es der Bäuerin zum Bewußtsein,
daß sie es mit dem "Gangerl" selbst zu tun gehabt habe.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 76, S. 83f