Eine Rast des ewigen Juden
Einst kam der zu immerwährender Wanderung verdammte Ahasver auch nach Weißenkirchen. Da ihm niemand Unterkunft gewährte, mußte er sich auf offener Strafe einen Rastplatz suchen. Endlich fand er auf dem Marktplatze vor dem Teissenhofer Hofe eine steinerne Bank, auf der er sich ermüdet niederließ. Bald sammelte sich eine Menge Buben um den sonderbaren Alten und verspotteten ihn. Bei Eintritt der Dunkelheil verließ er den Ort. Am nächsten Tage zeigte sich, daß die Bank gebrochen war. Nun suchte man den Greis, den einige zunächst für den Propheten Elias gehalten hatten, aber er war verschwunden, weshalb dann allgemein angenommen wurde, es sei der ewige Jude gewesen.
Dessen Aufenthalt in Weißenkirchen wird auch in anderer Weise erzählt.
Einmal kam zum Donauwirte daselbst am Abend ein Mann und verlangte ein
Seidel Wein, aber es müsse aus einem vollen Fasse sein. Der Wirt
sicherte es zwar zu, stellte aber den gewöhnlichen Schankwein vor.
Der Gast wies ihn zurück und begehrte neuerlich, sein Getränk
aus einem vollen Fasse zu nehmen. Wieder wurde der Wunsch nicht beachtet
und abermals verwahrte sich der Fremde dagegen. Nun wurde es dem Wirte
doch unheimlich, daß jener immer gleich die Täuschung erkenne,
und er brachte nun wirklich Wein aus einem vollen Fasse. Der Alte erhob
sich und sagte dabei: "Es geht also doch!" und trank stehend
sein Seidel aus. Daraus verließ er eilends das Gasthaus und fuhr
über die Donau. Der Wirt erzählte voll Verwunderung von der
sonderlichen Begebenheit und alles gelangte zur Meinung, der merkwürdig
Gast könne nur der ewige Jude gewesen sein.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 58, S. 67f