30. Hänschen gack!

In Sierndorf an der March lebte vor vielen Jahren eine Bäuerin, von der die Leute behaupteten, daß sie eine Hexe wäre.

Eines Tages lud sich diese Bäuerin einige Männer ein, welche in der Scheune mit Dreschflegeln das Getreide ausdreschen sollten. Während die Männer eifrig die Dreschflegel schwangen, half ihnen die Bäuerin und drehte die Strohgarben um. Als nun schön langsam die Mittagszeit heranrückte, wurden die Manner hungrig und fragten die Bäuerin, ob sie noch nicht bald mit dem Kochen beginnen würde. Doch sie antwortete: "Das hat Zeit!" und so wurde weitergearbeitet.

Erst ganz knapp vor der Mittagspause ging die Bäuerin in die Küche. Dort nahm sie schnell eine Pfanne, stellte diese auf den Herd und rief in den Rauchfang hinauf: "Hänschen gack!"

Einige Minuten später bekamen die hungrigen Männer einen herrlich schmeckenden Schmarrn vorgesetzt, der auch bis auf den letzten Rest verzehrt wurde.

Darüber wunderten sich die Manner sehr und einer nahm sich vor, am nächsten Tag heimlich durch das Schlüsselloch zu gucken, um das geheimnisvolle Kochen der Bäuerin zu beobachten.

Tatsächlich kamen die Männer am nächsten Tag wieder und nahmen ihre Arbeit auf. Und wieder ließ sich die Bäuerin mit dem Kochen recht lange Zeit. Dann lief sie schnell in die Küche. Der neugierige Mann schlich gleich hinterher und schaute durch das Schlüsselloch. Da sah er, wie die Bäuerin die Pfanne nahm und sie auf den Herd stellte. Nachher beugte sich die Bäuerin über den Herd und rief in den Rauchfang: "Hänschen gack!" Aber diesmal tönte eine Stimme aus dem Rauchfang, die sprach: "lch gacke nicht, es gucket wer!"

Als der Mann dies horte, lief er voller Angst schnell weg und erzählte sein Erlebnis den staunenden Leuten. Und tatsächlich bekamen die Drescher an diesem Tage kein Mittagessen.

Anton Schultes, Beiträge zur Heimatkunde von Hohenau. Hohenau, o. J., nach Fr. Maria Marschitz, Sierndorf;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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