DAS "GOLDENE BRÜNDL"
Als der Habsburger Rudolf gegen den Böhmenkönig Ottokar in den Krieg zog, verschlug es ihn auch in die Niederungen des Rohrwaldes. Es war ein sehr heißer Tag, Rudolf war schon seit Stunden geritten und sehr erschöpft. So hielt er nach einem Brunnen oder einer Quelle Ausschau, um sich und sein Pferd zu erfrischen. Er empfand es wie ein Wunder, als er endlich das leise Murmeln einer Quelle vernahm. Er stieg ab und wollte schon von dem frischen Wasser trinken. In diesem Augenblick hielt er inne - da war doch eine leise Stimme? Er merkte, dass neben dem Quellaustritt ein goldener Becher stand. Ohne lange zu zögern benutzte er das kostbare Gefäß, um sich zu laben. Schon wollte er den Becher als Andenken einstecken, als eine zarte Stimme zu ihm sagte: "Herr, lasst von meinem Becherlein, ich habe es hier vergessen, es brächte euch kein Glück!"
Der weise Rudolf überlegte nicht lange und stellte den Becher der Quellnixe wieder zurück. Überglücklich über den ehrlichen Mann, zog sie einen goldenen Ring von ihrem Finger und gab ihm den Herrscher mit den Worten: "Nimm, oh Herr, diesen Ring und trage ihn in Ehren. So lange er im Besitz deiner Familie ist, wird er dir und deinen Nachkommen Glück und Segen bringen. Erlischt aber der Mannesstamm in deiner Familie, so müssen mir die Deinen den Ring wieder zurückgeben."
Dankbar nahm Rudolf das wertvolle Geschenk der Nixe an. Es brachte ihm auch reichlich Glück, denn in der Schlacht von Dürnkrut und Jedenspeigen konnte er wenig später Ottokar besiegen.
Als Kaiser Karl VI. ohne männlichen Thronerben gestorben war, brachte
seine Tochter, Kaiserin Maria Theresia, der Nixe den Ring wieder zurück.
Manche Leute mögen den goldenen Ring am Grund der Rohrwaldquelle
schon gesehen haben. Dieser Anblick ist aber nur jenen vergönnt,
die noch nie in ihrem Leben gelogen haben.
Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 142