DIE DOMKRÖTE

In alter Zeit befand sich auf jenem Hügelrücken, wo heute die Mistelbacher Kirche steht, eine Raubritterburg. Der Herr dieser Burg zog mit seinen Mannen raubend und brennend durch die Lande; bei einem seiner Raubzüge ermordete er sogar einen unschuldigen Fuhrmann. Dieser aber verfluchte seinen Mörder noch, ehe er starb.

Von nun an hatte der grausame Ritter kein Glück mehr. Er wurde ärmer und ärmer und in kürzester Zeit musste er fürchten, um nicht als Bettler zu enden. So ließ sich der gottlose Mann für zehn Jahre mit dem Teufel ein, um seine Schulden zu tilgen und gleichzeitig auch sein prasserisches Leben weiterführen zu können. Als die Frist um war, verschwand der Rittersmann mit dem Teufel im Burgberg. Seit dieser Zeit sahen Leute nächtens eine ochsengroße Kröte aus dem Burgberg hervorkriechen, die anfing, das Gemäuer zu zerstören. Sie bohrte Löcher in die Grundmauern, so dass das dicke Gemäuer baufällig wurde, bis das Gebäude schließlich gänzlich zerfiel und aus der einst stolzen Burg eine Ruine wurde.

Bei der Besiedelung der Zayaniederung wollte man an der Stelle der alten Burgruine eine Kirche errichten, um den in eine Kröte verwandelten Ritter zu erlösen. Doch kaum hatte man mit dem Werk begonnen, wurde es in der darauffolgenden Nacht auch schon wieder zerstört. Da sich der Spuk Nacht für Nacht wiederholte, legten sich einige beherzte Männer auf die Lauer, um Genaueres zu erfahren. Siehe da, um Mitternacht kroch die dicke, große Kröte hervor und zerstörte das Mauerwerk, das die Männer tagsüber mühsam errichtet hatten. Schlag ein Uhr war der Spuk auch wieder zu Ende.

In der nächsten Nacht kamen sie mit dem Pfarrer wieder. Der Gottesmann erschoss das Untier mit einer geweihten gläsernen Kugel, so dass von nun an Ruhe herrschte. Die tote Kröte mauerte man in den Kirchenbau ein, wo sie heute noch zu bewundern ist. Die mühsam vollendete Kirche weihte man schließlich dem Hl. Martin.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 178