DIE LETZTE ÖLUNG FÜR DIE SAU

Heiligenberg war vor vielen Jahren ein blühender Ort zwischen Hautzendorf und Kreuzstetten. Die Passauer hatten hier Fischteiche angelegt. Den Leuten ging es gut, sie hatten keinen Hunger zu leiden und kamen im Allgemeinen auch ganz gut miteinander aus. Lediglich der damalige Bürgermeister und der Pfarrer hatten sich wegen einer Kleinigkeit, an die sich selber gar nicht mehr erinnern konnten, zerstritten. Der Gottesmann schwor darauf, seinen Fuß nicht mehr in das Haus des Bürgermeisters zu setzen. Und der Bürgermeister sann die ganze Zeit darüber nach, wie er den Pfarrer dennoch dazu bewegen könnte, seinen Schwur zu brechen und ihn in sein Haus zu locken.

Eines Tages läutete das kleine Glöckchen der Kirche. Dies bedeutete, dass jemand im Sterben lag. Dermal sollte es die Frau des Bürgermeisters sein, redete man im Ort. Ohne lange zu überlegen machte sich der Pfarrer auf, um der Frau das Sakrament der letzten Ölung zu spenden. Als er jedoch das Haus des Bürgermeisters betreten hatte, fand er, als er die Decke des Sterbebettes zurückschlug, statt der sterbenden Frau eine frisch geschlachtete Sau im Bett liegen.

Wortlos verließ er das Haus, verfluchte den Bürgermeister, sein Haus und den ganzen Ort. In der Kirche versammelte er daraufhin die Gläubigen der Gemeinde zum Gebet. Als sie das etwas erhöht liegende Gotteshaus wieder verlassen wollten, mussten sie erkennen, dass ihr gesamtes Dorf samt dem Bürgermeister im Wasser versunken war.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 166