ST. KOLOMAN

Es soll sich im Jahre 1012 zugetragen haben. Damals, als die dichten Wälder entlang der Donau gerodet wurden, zogen immer wieder Fremde durch die Lande. Holz Schlägern nannte man früher auch "Holz abstecken" und so mag wohl der Name der Stadt Stockerau "stockaere ouwe" von der "Au der Holzabstocker" herrühren.

Auf alle Fälle waren damals harte Zeiten und jeder hatte zu schauen, wie er sein Brot verdiente. Not schuf schon damals Not und Misstrauen. So darf es auch nicht verwundern, dass man mit Fremden, deren Sprache man nicht verstehen konnte, nicht unbedingt sehr freundlich umging. Es zogen in jenen Zeiten nämlich auch verkleidete ungarische Spione in das Land, um es auszukundschaften.

So geschah es auch mit einem fremden irischen Wandersmann, dessen Worte hier niemand verstehen konnte. Er war in eine Herberge gekommen und wollte hier bloß Quartier. Aber da man sich nicht verständigen konnte, galt der unbekannte Fremde, der in seiner Sprache zwar beteuerte, er wäre von königlicher Abstammung, hieße Koloman und käme von einer Pilgerreise aus dem Hl. Land heim, als möglicher Spion. Kurzerhand wurde er festgenommen und verhört, was ziemlich unsinnig war, weil ohnehin keine Verständigung möglich war. Dann wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt.

Lange hing der Leichnam des unbekannten Fremden auf dem Galgen vor der Ansiedlung. Normalerweise wäre er schon lange verwest, aber selbst Wochen nach der Hinrichtung behielt der Körper des Fremden noch seine frische Farbe. Dieser ungewöhnliche Umstand fiel auch bald den erstaunten Stockerauern auf, die immer wieder nachschauen kamen. Später begann sogar der dürre Baum, an dem der unverweste Leichnam hing, wieder auszutreiben. Auch der Ast, an dem der Strick angebunden war, trieb frische grüne Knospen. Jetzt war den Stockerauern klar, dass der Verurteilte ein besonderer Mann gewesen sein musste. Es dauerte nicht lange, bis einige fromme Bürger den Leichnam Kolomans unter dem knospenden Baum bestatteten, da sie ihren Fehler erkannten.

Zwei Jahre später trat die Donau bei Stockerau wieder einmal aus den Ufern, was an und für sich nichts Besonderes war. Nur diesmal war die Überschwemmung weit größer und verheerender als die Jahre zuvor. Die Stockerauer hatten schon lange das Grab des Fremden in der Au vergessen, wäre da nicht ein Wunder passiert: Gerade an jener Stelle, wo der Fremde beerdigt war, blieben die Wassermassen stehen und türmten sich auf, ohne das Grab zu berühren.

Stift Melk
Stift Melk
Bildarchiv SAGEN.at, Nr. 24500

 

Jetzt erhielt auch Markgraf Heinrich Kunde von den Wundern rund um den zu Unrecht verurteilten Fremden namens Koloman. Als er den Leichnam ausgraben ließ, um ihn ins Stift Melk zu überführen, war der Körper Kolomans immer noch unverwest. Dort wurde er in ein prachtvolles Grab gelegt und noch viele Jahre später erzählte man sich von den Wundern rund um den Hl. Koloman.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 75