DER TRAPPENFÄNGER
In den schlechten Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg zog es so manchen Städter aufs Land. Dort gab es bei den Bauern wenigstens etwas zu essen, in der Stadt wäre so mancher verhungert. So verdingten sich viele Städter als Arbeiter in der Landwirtschaft, sie halfen bei der Ernte oder im Stall. Manche von ihnen waren froh und dankbar, andere wiederum hielten sich für besser und gescheiter als die Bauern und mussten immer und überall das letzte Wort haben.
Auch nach Haringsee kamen immer wieder Wiener, die hier Arbeit und Brot fanden. Damals gab es auch noch viele Trappen im Marchfeld. Diese stolzen und schweren Vögel hatten es den Städtern besonders angetan. Manchem von ihnen gelüstete es, so einen großen schweren Vogel zu fangen. Doch so leicht schien dies aber nicht zu sein, denn sonst wären wohl mehr Trappen gefangen worden.
Einer der zugewanderten Wiener Saisonarbeiter hielt sich für besonders klug und wollte um jeden Preis einen solchen Vogel fangen. Den Dorfbewohnern, besonders den Burschen, war seine oberg'scheite Art auch schon aufgefallen und so warteten sie, bis sie ihm eins "auswischen" konnten. Eines Tages fragte sie der Städter, wie er denn Trappen fangen könnte. "Man fängt Trappen nur in der Nacht. Nimm einen großen Korb und eine Laterne. Wenn du mitten im Feld, auf dem du tagsüber die Tiere gesehen hast, den Korb hinstellst, die Laterne hineingibst und wartest, wirst du sehen, dass sich die Trappen von alleine in den Korb setzen", antworteten sie ihm. Am späten Abend begleiteten sie ihn samt Korb und Laterne auch noch ein Stück des Weges aus dem Dorf hinaus. Bald kehrten sie aber um und begannen höhnisch zu lachen.
Der bestens ausgerüstete Trappenfänger kehrte in den frühen
Morgenstunden beschämt in den Ort zurück. Er hatte eingesehen,
dass er hineingelegt worden war, und wurde von nun an still und bescheiden.
Er hatte die Einsicht gewonnen, dass er nicht klüger und auch kein
"Besserer" war, wie er ursprünglich gemeint hatte.
Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 230