DIE VERWUNSCHENE KRÖTE

Die Kröte von Mistelbach; Harald Hartmann

Die Kröte von Mistelbach an der Außenmauer der Pfarrkirche
© Harald Hartmann, August 2008

Unweit Mistelbach war früher ein stattliches Schloß, Von einem Raubritter bewohnt. Einst zog ein Fuhrmann vorbei, der von den wilden Raubgesellen überfallen und ermordet wurde; sterbend aber drohte er ihnen, daß sein und seiner Kinder Fluch sie verfolgen werde. Einige Jahre waren seit diesem Vorfalle verflossen, und der große Aufwand hatte des Ritters Vermögen schon bedeutend vermindert. In seiner Not ließ er sich mit dem Teufel ein, der schaffte Geld herbei und der Ritter lebte zehn Jahre darauf los, dann aber erwartete er ängstlich die Stunde, an welcher ihn der Teufel abholen würde. Diese kam und der Teufel fuhr mit ihm in den Berg, auf welchem sich die Burg befand. Und seit jener Zeit sah man von Zeit zu Zeit eine ungewöhnlich große Kröte aus dem Berge hervorkommen. In diese Kröte war der grausame Ritter verwandelt. Die Burg verfiel, und als im Tale ein ziemlich großes Dorf sich erhob, machte man den Vorschlag, eine Kirche in der Nähe von der Schloßruine zu erbauen, damit der in die Kröte verwandelte Ritter erlöst werde. Alle Vorkehrungen waren getroffen, und die Grundfesten des Turmes waren bereits angelegt; da kam zur Nachtzeit die Kröte aus dem Berge, und zerstörte alles, was man gebaut hatte. Mehrmals wurde der Grund gelegt, aber wieder zerstört. So geschah es dreimal. Schon wollte man den Bau aufgeben, und die Kirche auf einer anderen Stelle erbauen; da ging ein Priester mit dem hochwürdigen Gute, in Begleitung der Dorfbewohner zur Mitternachtsstunde. auf den Berg und erschoß, mit einer geweihten, gläsernen Kugel die verwunschene Kröte, In kurzer Zeit darauf ward die Kirche erbaut, und dem heiligen Martin geweiht. Heutzutage sieht man noch die Wassergräben der Burg, die mit hohem Grase bewachsen sind. Zum Andenken an jene Begebenheit befindet sich eine aus Stein gehauene Kröte am äußeren Gesimse der Kirche.
(Vernaleken.)

Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz. Bd. V, 1927