DAS WEISSE KÄTZCHEN
Der Name Seefeld kommt nicht von ungefähr. Früher befanden sich in den Niederungen des Pulkautales viele Teiche und Seen. Umgeben waren die Gewässer von breiten Sumpfflächen und dichten Schilfgürteln. Es bedurfte genauer Ortskenntnis, um den richtigen Weg zu finden.
Einst ging ein armer Holzarbeiter aus dem Obritzer Wald von seiner anstrengenden
Arbeit nach Hause zu seiner Familie in Seefeld. Müde und voll Sorgen
stapfte er zu später Stunde heimwärts zu seiner kranken Frau
und seinen vier Kindern. Schwermütig und langsam ging er durch die
rabenschwarze Nacht; bald drang die Feuchtigkeit des moorigen Bodens in
seine zerrissenen Schuhe. Zunächst spürte er die Nässe
nicht, aber später, als ihm das Wasser in die Schuhe oben hineinrann,
merkte er sehr wohl, dass er sich im Dickicht des Schilfes verirrt hatte.
Er wollte nun eilig heimwärts, doch da hörte er klägliches
Schreien und Wimmern. Ohne lange nachzudenken folgte er dem Rufen. Je
mehr er sich dem Schreien näherte, desto lauter und eindringlicher
wurde es. Als er schon sehr nahe war, merkte er, dass es sich nicht um
ein Kind, sondern um das Miauen einer Katze handelte. Schon wollte er
sich enttäuscht abwenden, als die junge Katze
wieder jämmerlich zu schreien begann. Da fasste er sich doch ein
Herz und beschloss, das arme Tier zu bergen. Zunächst entwischte
es ihm noch ein paar Mal, aber dann konnte er es schließlich doch
fassen. Es war ein kleines, weißes Kätzchen, das er gerettet
hatte. Dankbar schnurrte es in seinen Händen. Jetzt galt es für
ihn, nur noch so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Je länger
er aber im Schilf ging, desto weiter kam er in den Sumpf hinein. Nach
langem Herumirren stand ihm das Wasser schon bis zur Brust. Da warf er
erbost das Kätzchen von sich - schließlich war die Suche nach
dem Tier der Grund, dass er so weit in den Sumpf gelangt war! Da fing
plötzlich der Teich zu brodeln an und ein gewaltiges Unwetter kam
über ihn, das Stunden dauern sollte. Erst am frühen Morgen,
als sich das Wasser beruhigt hatte, und es inzwischen auch schon hell
geworden war, fand der arme Mann den Weg aus dem Teich heraus.
Wie staunte er aber, als er zu den Seinen heimkam: Seine kranke Frau
war über Nacht überraschend genesen und wieder völlig gesund
geworden. Eine alte Frau im Ort, die den Ruf einer Wahrsagerin genoss,
wusste dies zu deuten: Demnach sei das Kätzchen der Teufel gewesen.
Mit dem Wegwerfen des Tieres habe der Böse auch die Macht, die er
über des Holzarbeiters Frau hatte, verloren.
Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 64