DIE FLUCHT AUS DEM ZAUBERKREIS

Vor den Toren Wiens, in der Marchfeldgemeinde Großenzersdorf, erzählt man sich folgende Begebenheit: zwei Männer gingen in der Christnacht auf Schatzsuche. Der eine der beiden hatte schon öfter sein Glück versucht, der andere war hingegen erst das erste Mal dabei. So warnte der Kundige den Unkundigen, er möge sich ja nur ordentlich verhalten, ruhig sein, weder sprechen noch aufblicken, damit bei der nächtlichen Schatzsuche alles gut ginge und nichts passiere.

So hatten die Männer zu mitternächtlicher Stunde den Kreuzweg erreicht und legten dort aus einer hübsche Zahl von Steinen im Kreis um sich herum. In der Mitte steckten sie einen Zweig eines Haselnussstrauches in den Boden und hängten einen Rosenkranz daran. Kaum waren sie damit fertig, vernahmen sie gewaltigen Lärm. Der Unerfahrene erschrak derart, dass ihm die Knie schlotterten und er zu seinem Kumpanen stotternd stammelte: "Hörst du nichts?" Als er aufblickte, sah er einen feurigen Wagen, der von zwei feurigen Rappen gezogen wurde. Voll Entsetzen sprang er aus dem schützenden Kreis heraus und lief davon, so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Hinter ihm brauste das nächtliche Schreckensfuhrwerk mit einem derartigen Lärm, dass ihm Hören und Sehen verging. Und hätte er nicht rechtzeitig den Rosenkranz in seiner Tasche gefunden und dazu das Johannesevangelium gebetet, wäre er wohl sicher verloren gewesen.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 226