DES DACHSTEINERS RACHE
Zur Zeit, als der Herzog Luitpold noch im Wiener Forste auf die Bärenhatz ging, lebte im Steirischen ein Ritter, der sich nach seinem Schlosse der Dachensteiner nannte. Dieser war, wenn der Herzog in Baden gastlich Hof hielt, sein steter Jagdgenosse, sein liebster Freund, aber dabei ein großer Saufaus. Da aber der edle Dachensteiner es von Jahr zu Jahr ärger trieb und des Guten zu viel tat, wurde dies dem Herzog denn doch zu arg und er beschloß, dem ewig durstigen Ritter einen Schabernak zu spielen. Gesagt, getan. Als der Ritter wieder einmal froh und munter zum Saufen nach Baden kam, da war zu seinem größten Schrecken der Keller im Herzoghofe ganz leer, ganz verstaubt und voll Mist. "Ein schlechtes Jahr, Hagel und Frost hatten keine Lese gegeben und der Herzog hatte keinen Tropfen Wein."
Der Dachensteiner, den dieses Willkommen sehr verdroß und der die Absicht des Herzogs gar wohl durchschaute, beschloß, nun auch dem Herzog etwas anzutun. Und da ihm der Wein, der in seiner Heimat nur auf dem Baume wuchs, gar nicht behagte, so ließ er in Baden selbst "hauern" und baute sich trotz Frost und Hagelschlag in Baden einen wohlgefüllten Keller, in dem er nun aus Herzenslust trinken konnte, soviel er wollte.
Dies erfuhr der Herzog Luitpold, der seinen Jagdgenossen für die Dauer nur schwer vermißte, nur zu bald durch seine Dienstleute und als er sich einmal selbst bei dem Ritter zu Gaste lud, da hatte der listige Dachensteiner auch keinen Tropfen Wein. Ein schlechter Jahrgang, Frost und Hagel gab keine Lese und auch sein Keller war muffig und voller Mist, was den Herzog umsomehr verdroß, als sein Gefolge sich noch über ihn lustig machte. Und seit dieser Zeit soll der Dachensteiner, bei Hofe in Ungnade gefallen sein, denn was der eine kann, darf nicht der andere tun.
Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer
Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 24