DER FURCHTBARE HELD

Ein Mann sah einmal eine Menge Fliegen auf einem Fleck beisammen sitzen, tat einen Hieb auf sie und erschlug deren hundert und blessierte fünfzehn. Da kam ihm ein unternehmender Gedanke. Er heftete die Inschrift auf seinen Hut: "Ich habe auf einen Hieb hundert erschlagen und fünfzehn blessiert!" und zog in die Fremde, den Helden zu spielen. So kam er in eine große, mächtige Stadt. Da liefen die Leute in Massen zusammen und staunten den schrecklichen, fremden Helden an. Die Regierung der Stadt aber dachte hocherfreut: "den können wir gerade gut brauchen!" Denn sie hatte eben Krieg mit einem überlegenen Nachbar. Sie warb daher den wandernden Helden an und bot ihm gewaltige Waffen. Doch er wies sie zurück, indem er lachend versicherte: "Vor mir laufen die Feinde auch so davon!" Er zog also unbewehrt mit dem städtischen Heere dein Feind entgegen. Kaum hatten diese den Mann mit der furchtbaren Aufschrift ersehen, so flohen sie auch schon in panischem Schrecken. Die ganze Stadt feierte den sieghaften Helden herrlich und nahm ihn mit stolzer Freude in festen Dienst.


Kommentar: (Leeb, Niederösterreichische Sagen, Gölsental.)
Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924, Band II, S. 40