DAS SECHSSTRUMPFBÄNDERHAUS
Die drei Töchter des reichsten Badener Bürgers, Anna, Agnes und Gertrud, waren so stolz auf ihren elterlichen Reichtum, daß sie jeden Freier abwiesen. Wenn sich aber dennoch Bewerber um diese Mädchen einfanden, welche sich eben nicht abweisen ließen, so mußten dieselben raten, was für Strumpfbänder die Damen trugen. Doch keiner bekam die Hand der stolzen, übermütigen Schönen, ob sie nun auf "blau, rot, grün, gelb oder schwarz" rieten. Denn die erste hatte ein "silbernes", die zweite ein "goldenes" und die dritte gar ein "kleinodiges" Strumpfband und rieten dann wieder andere Freier, denen man diese Mär hinterbrachte, auf Silber, Gold und Edelstein, so hatten die Damen wieder Muscheln, Perlen und Korallen auf den zierlichen Waden und so ging es weiter, bis sich die vielen einheimischen und fremden Freier verliefen. Nur drei weitere Jünglinge, recht arme Badener Schlucker, bewarben sich um die Gunst der herzlosen Mädchen weiter, denn sie warben nicht um deren Geld, sondern aus wahrer Liebe. Aber auch diese letzten Freier wurden spottend abgewiesen, jedoch mit einem Vorbehalte. Sie dürfen wiederkommen, wenn die Mädchen einmal - Strumpfbänder aus "Fürtabandeln" tragen müßten. Und auch dieser Tag kam, das stolze Trithenhannsche Bürgerhaus mit den anmaßenden Töchtern verarmte und die einst so stolzen Mädchen mußten sich als "Badedienerinnen" ihr Brot verdienen und hatten dabei noch manch hartes Wort zu hören. Wenn die drei Frauen der einstigen armen Badener Schlucker in das Bad gingen, ließen sie es sich nicht nehmen, "reiche Strumpfbänder" zu tragen, womit der Hochmut von einst immer die gerechte Strafe vor Augen hatte.
Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer
Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 33