2. Von Frau Bercht und dergleichen Gestalten,
von den Elementen und vom Tod.
1. Frau Bercht und andere Geister.
*1. Frau Bercht hält um die Weihnachtszeit ihre feierlichen Umzüge. Sie tritt als segnendes, aber auch als schreckendes schädliches Wesen auf. Sie sieht wie ein altes Weiblein aus und bringt zur Weihnachtszeit Gaben in die Häuser frommer und bedürftiger Menschen.
*2. In der feisten Rauhnacht kommt Frau Bercht mit ihrem Gefolge, hält im ganzen Hause Nachschau und setzt sich zum Tisch, auf dem die Leute Semmelsuppe für sie stehen ließen. Ein Knabe wollte einst Frau Bercht sehen und versteckte sich hinter dem Ofen. Aber sie bemerkte ihn gleich, machte einen Spalt in seinen Kopf, gab glühende Kohlen hinein und schloß ihn gleich wieder. Darauf befahl sie ihm, übers Jahr wieder an der Stelle zu sein. Der Knabe litt das ganze Jahr an schrecklichen Kopfschmerzen. In der nächsten feisten Rauh-nacht fand er sich pünktlich ein, da nahm ihm Frau Bercht die Kohlen heraus und vom Augenblick an war er wieder gesund. Frau Bercht hatte seinen Fürwitz bestraft.
*3. Frau Bercht ist eine sehr große Frau, hat Haare von Flachs und trägt gerne ein langes weißes Kleid. Sie zieht um Weihnachten herum, um die bösen Kinder mitzunehmen, die das Jahr hindurch nicht gefolgt haben und stellt sich gewöhnlich zum Stadeltor hin, von wo aus sie alles sieht und hört, was im Hause vorgeht. Besonders müssen die Mägde den Spinnrocken sauber abgesponnen haben und unters Dach tragen, sonst haben sie das ganze Jahr hindurch beim Spinnen kein Glück.
*4. Frau Bercht zieht mit den ohne Taufe verstorbenen Kindern, die Christhemdlein tragen, zu Weihnachten über die Höfe. Sonntagskinder können sie sehen. Eine fromme Magd sah nun einmal Frau Bercht mit ihrer Schar über einen Zaun streichen. Ein Kind blieb mit dem Hemdlein am Zaune hängen. Die Magd befreite es und erfuhr von dem Kind, daß es mitziehen müsse, bis es getauft sei. Da ließ die Magd das Kind taufen, worauf es wieder starb und nun erlöst war.
5. Wallfahrer gingen am Unschuldigen Kindertag von Hundsdorf im Mühlviertel nach Maria Schnee in Böhmen wallfahrten. Vor sich sahen sie einen langen Zug kleiner Kinder. Das letzte verfing sich ständig im Zipfel seines Hemdchens und fiel infolgedessen immer wieder nieder. Eine Wallfahrerin hatte Mitleid und sagte: "Wart nur mein Zuserbeuterl, ich bind dir den Zipfel hinauf!" Da rief das Kind: "Gottlob, jetzt Hab ich auch einen Namen!" Es war ein ungetauft verstorbenes Kind, das sich dem Zug der unschuldigen Kinder angeschlossen hatte.
6. Ein Bauernbursch ging einst bei Nacht über das Hoheneck, das wegen des wilden Gjaids berüchtigt ist. Plötzlich erhob sich ein schauriges Stöhnen und Winseln. Voran zog die Permutter, klagend folgten ihr im langen Zug die ungetauften Kinder. Als der Zug schon vorüber war, kam ein Kind jammernd nach. Es hatte ein zu langes Hemdchen und trat sich fortwährend darauf. "Floih Waukerl, floih!" rief der Bursch, "mågst eana net folgn?" Das Kind jubelte: "Vergelts Gott, jetzt håb i do a an Nåm, Waukerl, und brauch nimmer mitgehn."
*7. Eine Näherin begegnete auf dem Heimweg von der Sterarbeit einer Frau mit Kindern, wie sie eben über einen Bachsteg gingen. Dem kleinsten Kind, das als letztes ging, half die Näherin hinüber. Die Frau rief ihr zu: "Wenn du es nicht getan hättest, hätte ich dich zerrissen und zerbissen!"
*8. Ein Zimmermann in St. Pantaleon begegnete in der feisten Rauhnacht einem großen Weib mit 9 Kindern. Hintennach lief ein kleines Mädchen in einem langen Kittel; der Mann sagte zu ihm: "Dirnei, du trittst dir auf dein Kittl!" Das Weib rief zurück, wenn er nichts gesagt hätte, hätte sie ihn zerrissen.
*9. Um Weihnachtstag läuft das goldene Heißl am First des Scheunendaches vorbei und wirft einen Sack voll Kietzen in den Hof. Damit es aber vorbeikommt, muß man fasten.
10. Einer Mutter in der Gegend von Königswiesen machte ihr Kind durch Weinen und Schreien viele Mühe. Einmal schrie es wieder ohne Aufhören in die späte Nacht hinein. Da wurde die Mutter, die sonst dem Kinde alle Liebe antat, zornig, hielt das Kind zum Fenster hinaus und sagte: "Wenn du gar nicht still sein willst, so soll dich was holen!" Kaum hatte sie es gesagt, wurde ihr das Kind aus den Händen gerissen und war verschwunden. Die erschrockene Frau weckte gleich alle Hausleute, sie suchten überall und streiften den Wald ab, das Kind fanden sie nicht. Nur meinten sie, einmal in der Ferne Schreien gehört zu haben.
11. Ein kleines Kind war am Nikolaustage
recht schlimm, meinte und schrie, daß es nicht zum Aushalten war.
Die Mutter hielt das Kind zum offenen Fenster hinaus und sagte: "Von
mir aus kann dich schon einmal der Kuckuck holen!" Da wurde ihr das
Kind aus den Händen gerissen und blieb verschwunden, obwohl man es
weit und breit suchte.
Quelle: Oberösterreichisches Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 20 - 21.