6. Von Ungeheuern, Drachen und wilden Tieren.
2. Von Stutzen, Nattern und vom Natternbannen.
21. Der Tatzelwurm ist halb Wurm, halb Fisch und hat ein scharfes Gebiß. Nur mit einer geweihten Kugel kann man ihn treffen. Wer ihn erlegt, hat immer Glück auf der Jagd, wer ihn fehlt, soll überhaupt nicht mehr jagen gehen. Der letzte soll um die Mitte des 18. Jahrhunderts erlegt worden sein.
22. In den Alpen hausten einst die Bergstutzen. Es waren eidechsenähnliche Schlangen von ansehnlicher Größe, sie konnten ebensoschnell bergauf wie bergab laufen. Den Menschen wurden sie gefährlich, nur der konnte sich retten, der "zwerch" lief.
23. Die "kohlschwarzen Stutzen" sind gefürchtete, giftige Nattern. Sie stellen sich auf die Schwanzspitze und schwingen sich in großen Sprüngen schnell weiter. Wer von ihnen angehaucht wird, muß sterben.
*24. Auch auf dem Dachstein hausen die Bergstutzen. Wie dürre Holzprügel liegen sie auf sonnigen Holzschlägen und fahren dem ahnungslosen Wanderer, der auf sie zukommt, durchs Herz. Sonst greifen sie den Menschen nicht an. Wen sie aber beißen, der muß sterben. Sie sind eine Art Drachen und haben vier Füße, einen Kreuzkopf, langen Schweif und giftige Zähne.
*25. Ein Mann ging von der Arbeit heim und sah auf dem Steg, über den er mußte, eine zusammengeringelte Natter. Er wagte sich nicht hinüber und wollte eben den Bach durchwaten. Da kam ein Wiesel daher, als es die Schlange sah, kehrte es um, holte ein grünes "Kräutl oder Sträußl" und ließ es auf die Natter fallen. Diese entrollte sich und sprang in drei Stücke.
*26. Ein Bauer schlief einst im Schatten eines Baumes. Eine Natter kroch herbei und ließ ein grünes Blatt auf das Herz des Schlafenden fallen, um sich die Stelle zu merken, wo sie ihm durch den Leib fahren wollte. Da kam ein Eidechsel, "ein Oröchsel", herbei und fuhr dem Mann solange übers Gesicht, bis er aufwachte und sich aufsetzte. Gerade aber hatte er sich aufgerichtet, da schoß die Natter knapp hinter seinem Kopf herab und sprang vor Wut in drei Stücke.
*27. Bei Niederwaldkirchen gaben in einem Bauernhaus die Kühe keine Milch mehr und hatten blutige Striemen. Ein Handwerksbursche, der im Stalle übernachtete, wurde durch ein Zischen geweckt und sah nun, wie eine Natter auf die Euter der Kühe losging.
*28. In Pitretsberg im Mühlviertel kamen drei Schlangen in ein Bauernhaus, wenn die Kinder bei der Milchsuppe saßen. Sie spielten oft lange mit den Kindern. Als ein Kind einmal mit dem Löffel nach einer Schlange schlug, fuhr diese gegen das Kind, es wurde aber von den Hausbewohnern gerettet.
28a. Eine Bäuerin arbeitete in der Küche und hörte zu ihrer Verwunderung ihr kleines Kind, das allein in der Stube seine Suppe aß, reden. Sie sah nach, da saß das Kind am Boden und eine lange Hausschlange fraß aus seinem Schüsserl. Eben schlug das Kind mit dem Löffel leicht der Schlange auf den Kopf und sagte: "Wårt du! Nöckerl a essn, nöt netta lauta Supperl!" Es erzählte später, daß es Tag für Tag mit der Schlange gegessen habe.
*29. Um Naarn gab es früher noch viel Wildnis, Nattern waren häufig. Wenn sie gar zu sehr überhandnahmen, sagten es die Leute dem alten Pointmann, der auf dem Bauerngut in Streuhof lebte. Der konnte sie bannen; auf seinen Bann hin kamen alle Nattern der ganzen Gegend an einem Ort zusammen und die Leute konnten wieder ruhig ihrer Arbeit nachgehen, ohne sich vor den Schlangen fürchten zu müssen. Als er alt geworden war, wagte er es aber nicht mehr, die Nattern zu bannen, weil sein Gedächtnis nicht mehr so stark war wie früher.
30. Zwischen Grünau und Scharnstein gab es einst viele Nattern, sogar in die Ställe und Wohnungen kamen sie, so daß die Leute schon ganz verzweifelten. Eines Tages kam ein müder Wanderer talein. Als er die vielen Nattern sah, nahm er ein Pfeifchen, das er bei sich hatte, aus der Tasche und zog pfeifend zu einer Kapelle am Bache. Dort war neben einem großen Fliederbaum ein großes Loch in der Erde. Die Nattern zogen dem Mann nach und krochen alle in das Loch, keine kam wieder zum Vorschein.
31. Bei der Hochzeit des Maiers der Herrschaft Lichtenau ging es hoch her. Sie dauerte 3 Tage. Allerlei fahrende Leute zeigten ihre Kunststücke, ein Fremder versprach, ohne jede Gefahr alle Nattern der Gegend zu bannen. Von einer Anhöhe aus bannte er mit lauter Stimme die Nattern, die am Tanzboden, einem wilden Waldberg, hausten, zuerst im allgemeinen, dann jede Art für sich. Die Schlangen kamen angezischt und legten sich um den Mann, die grauen, die schwarzen und die anderen Arten. Ein Mann unter den Zuschauern aber sagte: "Leut geht, der Mann ist verloren, er hat vergessen, die roten Nattern zu bannen." Da kam vom Berg her auch schon ein schreckliches Zischen und Brausen, die roten Nattern kamen und fuhren auf den Banner los. In wenigen Augenblicken war er eine Leiche. Die Zuschauer waren starr vor Entsetzen und konnten dem Mann nicht helfen. Als er tot war, zogen die Nattern wieder ab. Ein einfaches Steinkreuz bezeichnet heute die Stelle.
31a. Nach einer anderen Erzählung wollte ein Mann von Lichtenau aus die zahlreichen Nattern am Tanzboden beschwören, vergaß aber, rechtzeitig auch den Natternkönig zu bannen, zu spät rief er ihn, der Natternkönig zischte heran und fuhr ihm durch die Brust. Nach einer weiteren Überlieferung hatte der Mann täglich die Schlangen vom Tanzboden gefüttert. Auf seinen Pfiff kamen sie herbei, eines Tages vergaß er aber, auch den Natternkönig zu rufen und dieser ward sein Verderben. Wieder andere wollen wissen, daß es ein Mühlviertler Bindergesell war, der sich aufs Natternbannen verstand, aber übersah, auch die Schlangenkönigin zu beschwören.
32. Ein Haus im Mühlviertel war so voll Nattern, daß sich die Bewohner nicht mehr helfen konnten. Ein fahrender Handwerksbursche, der vorbeikam, versprach Hilfe, wenn sich keine rote Natter unter den Schlangen befinde. Nie war eine solche gesehen worden und so ging er ans Werk. Um einen Kriecherbaum machte er mit dürrem Holz und Reisig einen Kreis und stellte sich hinein. Dann zündete er das Holz an und sprach eine Beschwörung. Die Nattern kamen herangezischt, steckten den Kopf ins Feuer und kamen um. Alles war glücklich zu Ende, da kam in wilden Sätzen eine rote Natter daher und schoß dem Banner durch den Leib.
Quelle: Oberösterreichisches
Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 56 - 58
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Februar 2006.
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