14. Weltenwerden und Weltenvergehen, die Natur.
1. Welt und Natur.
*1. Der Himmel ist eine ungeheure Hohlkugel. Die Sterne sind Lichtlein, die abends den Seligen angezündet werden.
*2. Als der Herr mit Petrus über Land ging, brachte ihm Petrus eine Milchsuppe, stolperte aber und vergoß die Milch. So entstand die Milchstraße.
*3. Im Mond ist ein Mann, der Reisig macht und damit abends die Sterne anzündet. Im Mühlviertel heißt es, daß es ein Holzhacker ist, den der "Enlmann" einst verschluckt hat.
4. Westlich vom Heißberg liegt der Mistelberg, in der anschließenden Talsenke befindet sich die "Krieh". Hier ist der Eingang in die Unterwelt.
5. Wer dort hin geht, wo der Regenbogen aufsteht, findet ein ganzes Schaff Gold.
6. Der Ameisberg im oberen Mühlviertel wurde vor undenklichen Zeiten von großen Waldameisen aufgeführt. Vom Ameisberg bei Pabneukirchen gilt dasselbe.
7. Den Jungfernstein, einen großen Steinblock in Natternbach, trugen einst drei Jungfrauen in einer Schürze an seine jetzige Stelle. So klein war er damals. Bis heute ist er zu dem mächtigen Block ausgewachsen.
8. In einem Gehölz bei St. Oswald bei Freistadt befindet sich der Warzenstein. Felsblöcke sind aufgetürmt, der höchste hat eine Vertiefung von etwa drei Viertel Meter Durchmesser und ein Viertel Meter Tiefe. Sie enthält fast immer Wasser, es gilt als Warzenmittel.
*9. Dem Hohen Stein bei Walding gegenüber liegt die Schwarzlache. Vor alten Zeiten war sie unergründlich und mit dem Meere in Verbindung.
10. Auch der Kalmustümpel oder Kolmastümpfl bei Kefermarkt hat keinen Grund. Wer hineinfällt, kommt in unendliche Tiefen.
*11. Das Zagllauerloch bei Gosau steht mit dem Hallstättersee in Verbindung. Dort warf einst eine Kindesmörderin ihr Kind hinein, die Leiche kam an die Oberfläche des Sees empor und offenbarte so das Verbrechen.
12. Unter dem Erdboden gibt es natürliche Verbindungen. Die Leute warfen einmal einen Rührer in das Wasserloch im Paulinggraben, bei der Miesenbachmühle kam er heraus.
13. Auch das Schottenloch bei Ischl steht in Verbindung mit der Traun. Ein Rührkübel, den eine Sennerin in die Höhle warf, kam im Traunsee wieder heraus.
14. Das Donaubett im Struden hat einen Schlund, der eine gewaltige Wassermenge verschlingt und erst wieder in Ungarn zu Tage bringt. Einst ertrank ein Faßbindergesell im Wirbel, sein Schlägel wurde im Neusiedlersee wieder gefunden.
15. Nach einer anderen Überlieferung wollte ein Bindergeselle herausbringen, wo das Loch, das unter dem Wirbel das Wasser an sich zieht, hinmündet, und warf seinen Schlägel in den Wirbel, im Neusiedlersee kam er wieder heraus. An einem im Stiel verborgenen Dukaten erkannte der Geselle sein Eigentum. Nach anderer Meinung kam der Schlägel am Plattensee heraus.
16. Wer aus dem Gassenbrunnen beim Krankenhaus in Gallspach getrunken hat, muß immer wieder nach Gallspach zurückkommen, oder er kommt überhaupt von dort nicht mehr los.
*17. Eine Quelle bei der Klostermühle von Ranshofen heißt wegen ihres gurgelnden Geräusches der schreiende Brunnen. Wer daraus trinkt, soll den Kropf bekommen. Auch außerhalb des Burgstalles von Kreuzlinden bei Überackern gibt es ein Kropfbründl, dessen Wasser dieselbe Wirkung hat.
18. Bei Lenzing befindet sich eine Schlucht, das Ofenloch. Oberhalb fließt der "Leitenbrunn". Sein Wasser ist so gesund, daß es sogar Typhuskranke ohne Schaden trinken können.
19. Maria Brunnental bei Schärding hat eine Quelle, von deren Heilkraft viel erzählt wurde. Der Zulauf von Kranken war sehr groß.
20. In der Nähe des ehemaligen Schlosses Eidenberg befindet sich der sogenannte Kölbrunn mit besonders gutem Wasser. Früher galt es als heilkräftig, besonders gegen Augenleiden.
*21. Im 16. Jahrhundert regnete es einmal in Mauerkirchen Getreide. Ein Brotlaib aus solchem Getreide soll im Stift Mattsee aufbewahrt worden sein.
22. Kain hat seinen Bruder Abel auf einem Getreidefeld erschlagen. Seit dieser Zeit geht das Korn rot auf und jedes Weizenkorn hat am Ende eine kleine Narbe, das ein Gesicht darstellt. Es ist das Antlitz Mariens.
*23. Ein Jüngling hatte einen unersättlichen Wissensdrang und war in die Geheimnisse der Natur eingedrungen. Er stieg die Berge empor und kam mit einem goldenen Schlüssel, den ihm Geister gegeben hatten, zum Himmel. Eben wollte er den Schlüssel in die Himmelspforte stecken, da kam ein Engel und mahnte ihn: "Alles vergessen, die grüne Erde, die Heimat, Mutter, Vater und Geschwister." Der Jüngling erbebte und stürzte zur Erde hinab. Unten blieb er bewußtlos liegen, als er erwachte, hielt er den goldenen Schlüssel noch in der Hand, aber er war zur Blume geworden. Seither wurzeln und blühen die Himmelsschlüssel.
*24. Ein Mädchen weinte unabläßlich um die tote Mutter und ließ sich nicht trösten. Selbst unsere liebe Frau erschien ihm und suchte es vergeblich zu trösten. Immer gab das Mädchen zur Antwort: "Eh i tue's woana aufhörn, will i lieber zu aner Wögwart wern." Zur Strafe wurde sie in die Pflanze verwandelt.
Steckt man die Wegwarte mittags in einen Ameisenhaufen, so fließen Blutstropfen am Stempel hinab. Es ist aber ein Frevel, wenn man es tut.
25. Die Biene hatte einen langen Rüssel wie die Hummel. Weil sie aber auch am Sonntag arbeitete, verlor sie ihn.
26. Als Gott die Vögel erschaffen hatte, gab er jedem Vogel eine Farbe. Ein kleiner Vogel war noch zu färben, die Farben waren jedoch gar, da bat er Gott, ihm doch die kleinen Überbleibsel auf die Federn zu streichen. Gott tat es und so bekam der Stieglitz sein buntes Gefieder.
Quelle: Oberösterreichisches
Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 310 - 312
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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