ST. WOLFGANG

In der Grotte des Falkensteins, wo der Hl. Wolfgang zuerst gelebt haben soll, zeigt man noch den Eindruck seines Kopfes und seiner Hände, dann eine Quelle, die er aus dem Felsen sprudeln ließ, und endlich in der Nähe eine ihm geweihte Kapelle, wohin Kaiser Leopold I. von Passau aus wallfahrtete, als Wien von den Türken belagert wurde. Seitdem kommen alljährlich am Feste des Hl. Wolfgang die Pilger in großer Zahl hieher, um zu beten und das wundertätige Wasser zu trinken. Inmitten der Kapelle sieht man zwei riesige Steine, welche die Pilger zu bewegen und in Drehung zu versetzen suchen. Gelingt dies, so ist es ein Zeichen, daß der Himmel ihnen die Sünden vergab. Und wenn die frommen Gläubigen dann heimkehren und unten an der Wand des Falkensteins im Boot vorüberfahren, dort, wo ein sieben, oder achtfaches Echo hallt, dann versäumen sie nicht zu rufen: "Heiliger Wolfgang, dürfen wir aufs Jahr wiederkommen? Alsdann sag ja!" "Ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja", wiederholt das Echo, und die Leute ziehen von dannen, glücklich über diese eigenartige Einladung.

Der Hl. Wolfgang bekehrte die heidnischen Bewohner der Gegend, zugleich lehrte er sie, Eisen zu gewinnen, an dem die Gegend reich war, und daraus allerlei Werkzeug fertigen. Er lehrte sie auch Ziegel brennen und daraus Häuser bauen, Bäume fällen, Bretter schneiden, Kruzifixe und andere Figuren schnitzen, von denen manche heute noch in der Gegend zu finden sein sollen. In der Kirche verwahrte man auch seinen Bischofsstab, Kelch, sowie eine Axt, die das erste geschmiedete Gerät gewesen sein soll und an die, sich verschiedene Legenden knüpfen.

So soll einst der Heilige auf einem Felsen eingeschlafen sein, während man die Messe las. Um sich zu bestrafen, ergriff er die Axt und wollte sich die Füße abhacken, aber plötzlich gab die Erde nach und der Hieb ging daneben. Zur Erinnerung an dieses Wunder erbaute St. Wolfgang an Ort und Stelle mit eigenen Händen aus selbstgebrannten Ziegeln ein Bethaus, und man zeigt heute noch in einer Seitenkapelle der Kirche den Abdruck seiner Fußstapfen.

Nach einer anderen Legende warf der Hl. Wolfgang seine Axt weit ins Tal hinunter und baute die Kapelle dort, wo sie niedergefallen war. Wieder eine fromme Sage berichtet sogar, daß er den Bösen selber dazu brachte, ihm beim Bau des Gotteshauses zu helfen, indem er ihm das erste lebende Wesen versprach, das die Schwelle überschreiten werde. Nach der Fertigstellung trieb er einen Wolf vor sich in die Kirche, mit dem mußte der Teufel sich begnügen.

Nach fünf Jahren aber wurde der Aufenthalt des Heiligen doch bekannt und eine Abordnung kam von Regensburg, um ihn auf den dortigen Bischofsstuhl zu holen.


Nach Auguste Marguillier, "A travers le Salzkammergut", 1896 in:
Hans Commenda, Zur Volkskunde des Salzkammergutes vor fünfzig Jahren, in: Volkskundliches aus Österreich und Südtirol, Hermann Wopfner zum 70. Geburtstag dargebracht, Hg von Anton Dörrer und Leopold Schmidt, Wien 1947.