DER WURZENGRÄBER IM GEBIRGE

Einer von den Armen, welche im Hochgebirge mit Lebensgefahr die Heilkräuter und Wurzeln sammeln, zog einst mit seinem Sacke auf dem Rücken von der Großalpe über den Brunkogel in die Griesalpe. Dort rastete er, am nächsten Tage ging es wieder weiter. Langsam füllte sich der Sack. Nach vierzehn Tagen zog er wieder heimwärts. Als er zum "Salzberg" kam, hemmte eine mauerrechte Wand seinen Weg. Zum nicht geringen Staunen des Wurzengräbers war in dem Felsen ein prachtvolles Tor. Er trat in das Innere des Berges und sah sich in einer Höhle, von deren Decke Zapfen aus gediegenem Golde herabhingen und einen Schein verbreiteten, daß der Eindringling ganz geblendet war. Der fromme Mann meinte, alles sei eitel Blendwerk der Hölle, und schnell entfernte er sich, ohne ein Stückchen Gold mitzunehmen. Endlich kam er heim. Niemandem erzählte er von der Höhle; ja er hätte das Wunder nahezu vergessen. Da träumte ihm, er sei berufen, den unermeßlichen Schatz zu heben. In seiner Freude erzählte er alles seiner alten Mutter. Als dies ein sehr erfahrener Mann hörte, sagte er: "Die Höhle findet der Wurzengräber nimmer, da er seinen Traum verraten." Und so war's. Weder der Wurzengräber noch jemand anderer war der Glückliche, dem sich die Höhle nochmals zeigte, und sie wird wohl nie zu finden sein, obwohl alljährlich auch jetzt noch Leute auf die Suche gehen.


Quelle: Oberösterreichische Volkssagen. Gesammelt von Kajetan Alois Gloning. Ried 1884. S. 44