ENTSTEHUNG DES HALLSTÄTTERSEES

Dort, wo jetzt der Hallstättersee flutet und das staunende Auge des Naturfreundes entzückt auf dem wundervollen Bilde weilt, lag einst hoch über demselben eine fruchtbare Thalmulde mit schönen, grünen Wiesen und üppigen Feldern zwischen den Bergen eingekeilt und am Fuße des Zwölferkogels und des Rauchkogels in dem schattigen Winkel der Hirschau, die noch gegenwärtig davon ihren Namen bewahrt, lag die Stadt Cervusau und auf dem Gipfel des Berges ein mächtiges Schloß, Stutato genannt, von einem unbekannten Fürsten zur selbigen Zeit erbaut. Die ganze Landschaft hieß Indisapta, und die Leute in der Stadt trieben Landwirtschaft und Bergbau und es gieng ihnen gar gut.

Nach einer alten Chronik sollen die Cervusauer meist gelebt haben "von dem Salz, so sie gewonnen aus einer Salzgrube gegen Niedergang neben der Burg Stutato." Aber sie wurden in ihrem Wohlstande übermüthig, wie dies gewöhnlich der Fall ist, und da kam bald die gerechte Strafe über sie.

Hallstätter See, © Katja Wilhelm

Hallstätter See
© Katja Wilhelm, Juli 2001

Der Boden, auf welchem die Stadt stund, sank ein, und dieselbe versank mit allem, was darinnen war, in die Tiefe.

Nach der alten Chronik hat "ein gewaltiges Wasser das Städtchen Cervusau sammt den mehreren Menschen und Vieh, so darinnen waren, verschwabt und versschütt und ein großes unterirdisches Wasser führte endlich den Untergang der ganzen Gegend herbei." Von den Bergen aber strömte und rauschte überall Wasser nieder und füllte den tiefen Kessel aus, der sich gebildet hatte. Über die im Abgrunde liegende Stadt mit ihren Gefilden fluteten die Gewässer von Berg zu Berg, und es entstand der Hallstättersee. Nun verfiel auch die stolze Burg Stutato und die Gegend wurde zur öden Wildnis.


Quelle: Oberösterreichische Volkssagen. Gesammelt von Kajetan Alois Gloning. Ried 1884. S. 5