GLOCKENSAGEN

I. Die Linzer waren stolz auf das schöne Geläut ihrer Kirchenglocken. Nun hatte aber auch Pfarrkirchen im Mühlkreis ein herrliches und ausgiebiges Geläut, das man viele Stunden im Umkreis vernahm. Das erregte den Neid der Linzer; sie ließen daher einen Nagel in die Pfarrkirchner Glocke schlagen, um ihren Schall zu schwächen. Seither vermeint man in deren Stimme die Klage zu hören:

„Die Linzer Glock tat mich verklagen,
Weil ich so hell geläutet han;
Drum haben s' mir ein Nagel geschlagen,
Daß ich nimmer so schön läuten kann!"

Auch die Glocken von Leonding und Maria Scharten waren bis auf die Linzer Brücke zu vernehmen. Sie wurden daher ebenfalls durch die eifersüchtigen Linzer genagelt. Seither jammert die Leondinger Glocke beim Läuten:

„Die Linzer Glock hat mich verklagt,
Weil ich so hell geläutet hab . . ."

II. Um die furchtbaren Gewitter, die nach der Volksmeinung oft durch Wetterhexen verursacht wurden, abzuwenden, läutete man mit einer oder mehreren Glocken; meist gab es auf den Türmen auch eigene Wetterglocken. Dieses Läuten mußte aber, um wirksam zu sein, noch „bei scheinender Sonne" einsetzen.

III. Einst stand solch ein schweres Wetter über der Stadt Linz und verzog sich lange nicht, obwohl mit allen Glocken geläutet wurde. Aber diesmal hatte man des Guten eben zuviel getan. Das Wetter war zwischen den vielen geweihten Glocken eingefangen und konnte nicht mehr heraus.


Quelle I: Depiny Adalbert, Oberösterreichisches Sagenbuch. Linz, 1932. S. 390, Nr. 161 - 164
Quelle II: Depiny Adalbert, Oberösterreichisches Sagenbuch. Linz, 1932. S. 178, Nr. 118
Quelle III: Depiny Adalbert, Oberösterreichisches Sagenbuch. Linz, 1932. S. 178, Nr. 122


aus: Hans Commenda, Sagen in und um Linz, in: Oberösterreichische Heimatblätter, Jahrgang 21, 1967, Heft 3/4, S. 27 - 74.