DER URLAUBSTEIN

I. Der Urlaubstein ist ein schmales Felsenriff, das vom Schullerberg bis an die Donau reicht und sich unter Wasser fortsetzt. Dieses Felsenband trägt seinen Namen nach einem alten, auf Blech gemalten und mit einem Schutzdach versehenen Bild: „Christus nimmt von seiner betrübten Mutter Abschied". Der Linzer Bürger Johann Jax ließ zu Beginn unseres Jahrhunderts an Stelle des alten Bildes eine große, dasselbe Geschehen darstellende Figurengruppe anbringen, während das alte Bild im Linzer St.-Barbara-Friedhof einen Platz fand.

II. Die Sage hat sich nun in mehrfacher Form des Urlaubsteines angenommen, wobei das Überwuchern des alten wie neuen Bildwerkes durch Efeu immer wieder von der ursprünglichen Bedeutung des Namens ablenkte. Die Jahreszahl 1608, die man in Manneshöhe auf dem Felsen las, wurde als Hochwassermarke gedeutet. Sie erinnert aber in Wahrheit an die damals durchgeführte erste Verbreiterung des alten Donauweges. Aus diesem Anlaß wurde damals der Felsen teilweise abgesprengt und das vorerwähnte alte Bild angebracht. Eine andere sagenhafte Deutung leitet den Namen Urlaubstein vom Brauche der Linzer Handwerksgesellen ab, den scheidenden Wanderburschen bis zu diesem Stein das Geleite zu geben und dort von ihnen Urlaub zu nehmen.

Eine dritte Meinung geht dahin, daß im alten Linz die Selbstmörder, die im geweihten Bereich des Friedhofes nicht bestattet werden durften, am Fuße des Urlaubsteines den Wogen der Donau übergeben wurden, welche sie, dem Stromstrich folgend, rasch davontrugen.


Quelle I: Andachtsstätten, Alt Linzer. Vbl. 1937, 156, 10. 7.
Quelle II: Commenda Hans, Eigene Sammlung. Handschrift.

aus: Hans Commenda, Sagen in und um Linz, in: Oberösterreichische Heimatblätter, Jahrgang 21, 1967, Heft 3/4, S. 27 - 74.