Der wunderliche Traum
Mit freundlichem Antlitz schaut der waldumkränzte, Sagenreiche Jainzenberg
nieder auf die Kaiservilla inmitten des prächtigen Parkes zu seinen
Füßen und auf die ganze liebe Stadt Ischl und ihr vielfältiges
Häuserwerk. Aber auch im Rücken des Jainzen ducken sich Siedlungen
ins Grüne: ansehnliche Bauerngehöfte neben kleinen Arbeiterwohnungen
und Holzknechtbehausungen !
Dort ist's auch, wo der Seiherbach aus schwindelnder Höhe über
steile, glattgewaschene Felswände und wundersame Kessel als "Hohenzollernfall"
herabstürzt und sich in der Tiefe mit dem rauschenden Jainzenbach
vereinigt.
Vorzeiten stand in dem schmalen Tal gegen den Berghang hin ein Bauernhaus,
in dem Armut und Kummer die täglichen Gäste waren. Auf dem Hof
lagen noch von Vater und Großvater her schwere Schulden. Und so
fleißig auch Peter Loidl, der junge Besitzer, sein mochte, er kam
mit dem Abzahlen der Schuldenlast nicht zurecht; ja, sie wurde durch mancherlei
Krankheiten in Familie und Stall sogar noch größer!
Voll Sorgen ging er umher und sah im Geiste schon sich samt Frau und Kindern
ohne Dach über dem Kopf; denn seine Gläubiger wurden ungeduldig
und wollten nicht länger mehr auf ihr Geld warten.
In dieser Zeit der Herzensnot hatte Peter einen seltsamen Traum. Ihm träumte,
vor ihm stünde eines der Zwerglein aus dem Jainzen und befehle eindringlich:
"Geh morgen zum Ischler Wochenmarkt und stell dich auf die große
Traunbrücke. Dem ersten Menschen, der dich anredet, erzähl diesen
Traum - er wird dir zum Glück sein!"
Der junge Bauer erwachte und lächelte ein wenig über den merkwürdigen
Rat des Zwerges; doch schlief er bald wieder ein.
Aber denk dir nur: noch zweimal träumte ihm Wort für Wort dasselbe!
Da besprach er mit seiner braven Frau den wunderlichen Traum und beide
kamen überein, daß er es ja wirklich versuchen könnte,
sich auf die Brücke zu stellen.
So kam es, daß Peter Loidl schon in früher Stunde, als eben
ein munteres Leben und Treiben am Markt begann, auf der Traunbrücke
stand und mit heimlichem Bangen die erste Anrede erwartete. Aber wenn
auch viele Menschen mit Körben, Kisten und Taschen an ihm vorbeieilten,
keiner von ihnen allen kümmerte sich um ihn. Und hörte man auch
vom Markt her lautes Stimmengewirr, gingen auch lachende, plaudernde Frauen
und Männer über die Brücke: den armen Peter sprach doch
niemand an! Kein Wunder, daß er immer trübseliger in die aufschäumenden
Wellen der Traun hinabstarrte.
Fast war es Mittagszeit, als ein humpeliges, altes Männlein ihn am
Rock zupfte und mitleidig frug: "Was schaust denn du so unglücklich
ins Wasser? Ist dir leicht gar was Schönes davongeschwommen?"
Peter wandte sich dem Sprecher zu; und weil er merkte, daß der Alte
ihn gar freundlich ansah, erzählte er ihm seinen Traum und wie er
nun schon den ganzen Vormittag umsonst hier gewartet habe.
Da schüttelte das Männchen den Kopf und sagte: "Ich bitt
dich, wie kannst denn auf einen Traum was geben? Du lieber Gott, was träumt
einem alles Närrisches zusammen! Ich erinnere mich noch gut, wie
mir vor ein paar Wochen geträumt hat, daß bei einem Bauern
im Jainzental unterm Herd ein großer Schatz vergraben ist. Auch
den Namen weiß ich noch und habe später sogar meine Nachbarn
gefragt um den Mann - aber in unserer Gegend hat keiner von ihm gewußt!
Der ganze Traum war also purer Unsinn! Auf ein großes Glück
durch einen Traum darfst ja nicht hoffen -da geh nur geschwind wieder
heimzu, denn es ist schad um die Zeit, die du hier umsonst vertust!"
Damit wollte der Alte sich verabschieden. Aber der junge Bauer hielt ihn
fest und bat dringend: "Den Namen - sag mir nur noch den Namen! Wie
hat denn der Bauer geheißen in deinem Traum?"
"Ja, von mir aus, das kannst du wissen, denn ich hab mir den Namen
gut gemerkt bis heute: Peter Loidl hat er geheißen!" "Du
lieber Himmelvater, gibt's denn sowas auch?" schrie da der Jungbauer
hellauf. "Peter Loidl -das bin ich selber! Geschwind, geschwind -
du mußt mit mir nach Haus und wir suchen miteinander den Schatz
unterm Herd!"
Ganz außer sich vor Freude lief er in das nahe Gasthaus "Zum
goldenen Ochsen", holte seine dürre Kuh mit dem morschen Leiterwagen
aus dem Hof und fuhr samt dem Männlein unter viel Peitschengeknall,
Hü und Hott dem Jainzental entgegen. Und wiewohl es seiner Ungeduld
tausendmal zu langsam ging, so kamen sie doch endlich ans Ziel. Trotz
des flehenden Einspruches der besorgten Hausfrau holte Peter sogleich
mit größtem Eifer alles nötige Werkzeug herbei und begann
den Herd abzubrechen, wobei ihn der Alte nach besten Kräften unterstützte.
Und siehe da: nach dreistündiger harter Arbeit konnten sie einen
großen Steintopf, randvoll angefüllt mit Gold- und Silberstücken,
aus dem Boden heben! Das gab einen Jubel im ganzen Haus, das darfst du
mir glauben! Nun hatten beim guten Peter Armut und Sorgen ein Ende für
immer! Alle seine Schulden zahlte er rasch ab. Das Gehöft ließ
er ausbessern und wie neu herrichten. Die Stallungen wurden vergrößert
und schönes Vieh kam hinein. Und das Beste war wohl dies: Frau und
Kinder mußten nie mehr hungern und frieren!
Das alte Männlein aber nahm Peter ins Haus und bereitete ihm einen
sorglosen, friedlichen Lebensabend.
Dankbar dachte die ganze Familie auch später noch oft und oft an
des Vaters wunderlichen Glückstraum.
Quelle: Sagenschatz aus dem Salzkammergut, Iolanthe Hasslwander, Steyr 1981