Sagengut vom Kumitzberg
Weithin sichtbar erhebt sich nahe bei Mitterndorf im blumigen Hinterberger
Tal der rund hundert Meter hohe Kumitzberg, den eine gar liebe, kleine
Kirche krönt. Aus ebenem Boden türmt sich der steile, massige
Fels gegen den Himmel. Dunkle Waldbäume umgeben ihn, und ein Kirchweg,
teilweise mit breiten Stufen ausgestattet, führt hinauf zur Gnadenstätte.
Man weiß über den Kumitzkogel, der da so gebietend aus dem
Talgrund emporwächst, mancherlei aus fernen Tagen zu berichten. Vor
undenkbaren Zeiten, so wird erzählt, befand sich auf der Höhe
des Kumitzberges ein großer, heidnischer Opferstein, bei dem unsere
Vorfahren zu ihren Göttern flehten und ihnen Gaben darbrachten. Zu
nächtlicher Stunde wurde hier oben ernsthafter Kriegsrat gehalten
und mit festem Schwur besiegelt.
Zur Wintersonnenwende brauste aber auch der wilde Jäger mit seinem
dämonischen Gefolge, vom Ennstal kommend, über den Kumitzkogel
und schleppte die Geister mit, die sich in seinen Felsspalten verbargen.
Denn auch Kobolde, Moosweiblein und zauberkräftige Alraunen hausten
im Waldboden des geheimnisvollen Berges.
Mit der Lehre des Christentums brach jedoch eine neue Zeit an und der
alte Heidenwahn entschwand langsam aus der Erinnerung der Menschen. Die
nächtlichen Feuer erloschen und der Opferstein zerbröckelte
allmählich und wurde von grünen Ranken und dichtem Strauchwerk
überwuchert.
Die Römer kamen und gingen; die große Völkerwanderung
setzte ein und berührte mit Hunnen und Awaren, Slowaken und Slawen
auch das Ausseer Land - die Bezeichnung "Kumitz" mag dafür
als Beweis gelten! Jahrhunderte später lebte in Mitterndorf ein frommer
Priester mit Namen Balthasar Marinz, der eine besondere Verehrung zum
Leiden Christi und zur schmerzhaften Mutter Maria im Herzen trug. Um für
diese Verehrung auch seine Pfarrkinder zu gewinnen, beschloß er,
dem so günstig gelegenen Kumitzberg eine heilige Bestimmung zu geben:
er wollte hier einen Kalvarienberg errichten!
Im Jahre 1713 wurde dieser edle Plan von Marinz gefaßt; und sehr
bald bestärkte ein merkwürdiges Erlebnis den Seelsorger in seinem
Vorsatz. Eines Tages nämlich ritt er auf seinem treuen Rosse aus,
um seinen Freund, den Pfarrer von Aussee, zu besuchen. Als er nun dicht
an den Fuß des Kumitzberges herankam, ließ sich das Pferd
plötzlich mit den Vorderbeinen auf die Knie nieder und neigte mehrmals
wie in richtiger Ehrfurcht den Kopf. Der Priester war ganz ergriffen von
dem Verhalten seines Schimmels und gelobte sich im stillen, die Errichtung
des Kalvarienberges mit den fünf Leidensstationen und einer geräumigen
Meßkapelle auf der Höhe nicht länger aufzuschieben.
Unter reger Anteilnahme und Mithilfe seiner braven Gemeinde konnte Pfarrer
Marinz im Jahre 1717 die fertigen Kapellen weihen und auf den Altar der
Meßkapelle das Gnadenbild, eine holzgeschnitzte, schmerzhafte Muttergottes
aus dem 16. Jahrhundert, von Mitterndorf her feierlich übertragen.
Das war ein großer Festtag für die gesamte Gegend. Wenige Jahrzehnte
später war die Meßkapelle auf dem Kumitzberge für die
zahlreichen Besucher bereits viel zu klein und so wurde schon 1766 der
Grundstein zu der jetzt noch bestehenden barocken Wallfahrtskirche gelegt.
Unter Pfarrer Matthäus Strennberger, einem gebürtigen Ausseer,
konnte sie 1773 vollendet werden. Von diesem unermüdlichen Seelsorger
erzählt eine vergilbte Chronik, daß er nahezu täglich
von Mitterndorf nach Kumitz "lief", weil man ihn wie vom Geiste
Gottes getrieben, in höchster Schnelligkeit dahineilen sah. Dabei
rief er allen Menschen, die er am Wege antraf, einladend zu: "Leutln,
kommt's mit nach Kumitz!" Pfarrer Strennbergers vorbildlicher Eifer
und eine Menge auffallender Gebetserhörungen machten das Gnadenbild
am Kumitzberg bekannt im ganzen Salzkammergut. Zwei Prozessionen wurden
gleich von Beginn an mit besonderer Feierlichkeit durchgeführt: die
Wallfahrten der Holzknechte und die der Salzberghauer!
Auch in unseren Tagen ist die Kirche Maria Kumitz das Ziel vieler Pilger
und regelmäßiger Wallfahrtsgruppen aus dem Ausseer Land, dem
Ennstal und dem benachbarten Ischler Gebiet.
Auf einem Votivbild im Vorraum der Kirche kannst du übrigens noch
heutzutage das am Fuße des Kumitzberges kniende Pferd und den darauf
sitzenden priesterlichen Reitersmann betrachten.
Quelle: Sagenschatz aus dem Salzkammergut, Iolanthe Hasslwander, Steyr 1981