SAGEN AUS WEIßENKIRCHEN

Die Kirche

Schon vor langem hatte man in Tuttingen einen Platz zum Bau einer Kirche ausersehen. Die ersten Steine wurden angefahren, doch am nächsten Tag lagen sie auf der Bergeshöhe. Nachdem das dreimal hintereinander geschehen war, wurde die Kirche auf der Bergeshöhe errichtet.

Die Kirche, aus Sand- und Konglomeratsteinen erbaut, sah ursprünglich grau und düster aus. Der reichgewordene Hirtenbub Christoph Weiß aus Vöcklamarkt ließ die Wultingerkirche mit kalkfrischem Putz versehen. Darum wurde sie von da an Weißenkirchen genannt.

Zu den Kirchenpatronen Margaritha (Mütter) und Leonhard (Tierpatron) kommen seit eh und je Wallfahrer zu Fuß und zu Pferd in das Bergkirchlein. Das Gnadenbild war eine ausgehöhlte Statue, die mit den Silbermünzen der Pilger gefüllt war. Diese Statue wurde später um billiges Geld verkauft. (1970 wurde vor der Kirche eine Regensburger Silbermünze aus dem Jahr 1634 gefunden: "Da pacem nobis Domine".)


Grenzland

Als der heilige Georg auf seiner Wanderschaft von Salzburg nach Oberösterreich kam, übernachtete er unter der Holzbrücke zwischen der Schlagmühler Kapelle und der Buchroider-Ölstampf. Salzburg feiert am 23. und Linz am 24. April das Fest des hl. Georg.

Mitten durch die Tenne des Buchroiderhauses geht die Landesgrenze. Obwohl das Haus in der Ortschaft Schlag liegt, gehört es zu Schwaigern, weil es in der größten Pestnot von Weißenkirchen betreut wurde. Der alte Landgraben führt durch Außerreittern (früher: "Röd am Landgraben") bis zur Vöckla beim Wirt im Schrankbaum. Über den Rehberg führt dann der Landweg. An der Grenze gab es immer Schmuggler. Im Volksmund leben heute noch der Schachl-Woferl und der Schwärzer-Mörtl. Ein Schwärzer Johann Zauner wurde 1782 in Weißenkirchen von den Kordonisten (Grenzbeamten) "auf der Stelle totgeschossen".

Hoch über dem Vöcklatal bei der Höllmühle liegt heute noch der Burgstall, eine ehemalige Festung. Von dort führt ein unterirdischer Gang zwischen Leithen und Rudlberg nach Wieneröth. Oftmals gab es dort Erdeinbrüche (Blitzlöcher). Jede Generation machte schon Grabungen am Goldberg, Öllackerberg oder beim Schinderhölzlland. Aber leider bisher vergebens.


Der Gänsbrunn

Beim Waldbauern gab es oft Wassernot. Obwohl der Hof das Wasserrecht in Truchtlingen und beim Daxen in Egg hatte, ließ der Bauer in der Nähe seiner Altöttingerkapelle einen tiefen Brunnen graben. Gänse fielen in den Brunnen, nachts kam ein arger Regen, daß der Brunnen einstürzte. Die Gänse kamen bei einer Quelle in der Steinwandleiten gegenüber von Wieneröth heraus und schwammen in die Freudenthaler Ache. Seither ist dort der Gänsbrunnen.


Die Schatzgräber

Am Embüchl (Ödenbüchel) in der Waldeinsamkeit waren zwei Bauern: Renner und Neubacher. Sie hatten einen gemeinsamen Brunnen und eine gemeinsame Zufahrt und halfen sonst nur beim Mühlfahren und Kalbziehen zusammen. In einem Haus war eine Schatzkiste vergraben. Alle hundert Jahre kam sie ganz an die Oberfläche. Es kamen da vier Schatzgräber - und wenn sie den Schatz gehoben hatten, war eine Seele erlöst. Wieder einmal waren sie am Werk und waren schon an der Kiste. Da kam ein ganz Feuriger durch die Tenne geritten und schrie: "Gebts mir den Rotleiblaten!" Beim Schatzgraben durfte kein Wort gesprochen werden. Der mit der roten Jacke fragte: "Warum denn netta mich?" Und schon war die Kiste in die Tiefe versunken. In der folgenden Nacht hörte man dann ein Klagen: "Hundert Jahre muß ich wieder warten!"


Das wilde Gjoad

Ein uralter Wendl zu Hölleiten ist einmal an einem Samstag spätabends noch zur Pirsch in den Weißenkirchner Wald hinauf. Es war gerade 11 Uhr, da kam das ganze wilde Gjoad daher mit furchtbarem Lärm: Hunde und Katzen, Rosse und Geißen und Viecher aller Gattungen. Der Wendl ist daruntergekommen und hat mit müssen, ob er wollen hat oder nicht. Es ging über Hager und Zäune, über Wiesen, Felder und Wälder "z'weidigst" dahin. Und am Sonntag früh um sechs Uhr ist er zu Piesdorf bei Gampern mitten in einer Wiesen auf einem Scherhaufen g'sessen. - Das war so, wer unter die Wilde Jagd kam, mußte einfach mit.


Mettennächte

Es ist kein Geheimnis, daß Tiere in der Heiligen Nacht reden. So legte sich ein Bauer neugierig in den Kuhbarn. Der Knecht wußte um dieses Vorhaben und versteckte sich rechtzeitig im Stall. Der Bauer horchte gespannt. Mit tiefer Stimme begann der Knecht: "Bauer, schneid ab und brock ein, dann wird dir Gott gnädig sein!" Dem Bauer ging es durch Mark und Bein, denn er war sehr sparsam und karg mit der Kost. Diese Offenbarung hat ihn gewaltig gebessert.

Ein Bauer am Lichtenberg war sehr reich. Wie er in der Mettennacht allein daheim ist, kommen sechs kohlrabenschwarze Männer. "Wenn du das Geld nicht hergibst, bringen wir dich um!" Er beruhigte sie: "Setzt euch nieder, ich bring's schon!" Der Großenbauer verstand sich aufs "Anbinden". Keiner konnte sich mehr rühren. Er brachte eine Schüssel voll Geld. "So, jetzt nehmt euch das Geld!" Sie blieben stocksteif. Am Morgen kochte er Wasser. "Jetzt muß ich euch doch waschen!" und wusch sie der Reihe nach. Es waren lauter Bekannte. Aus Scham baten sie, es niemandem zu sagen.

In Redltal haben die Glasmacher einmal sogar in einer Mettennacht gearbeitet. Wie sie um Mitternacht mit der Glaspfeife Glas aus dem Ofen holten, da ist der Leibhaftige auf dem Ofen gesessen, und sie stellten sofort ihre Arbeit ein.


Das Heimgehen

Im Schmiedauszugshaus zu Hölleiten, da hörten die Leute abends Schritte. Das Tenntürl geht auf, wird geschlossen, Schritte werden vernommen, aber es kommt niemand. "Der Toni könnt' es sein!", der beim Wirt Hausknecht ist, meinten sie. Nachts geht es auf dem Boden oben so zu, Ladenstöße werden umgeworfen. "Da muß es ja furchtbar ausschauen!" meint die Franzi, aber am nächsten Tag war alles in Ordnung. In der folgenden Nacht rumpeln die leeren Mostfässer, dann poltert jemand über die Stiege, oder man hört Kinder heulen. "Mit der Hacka hau' ich jetzt drein!" sagt Hansjörg, weil man keine Nacht schlafen kann. Lange ging es so dahin. Da ging die Häusl-Nani zum Pfarrer Berghammer und bat ihn, die Messe für dasjenige zu lesen, das Hilfe braucht. Von da an war Ruhe im Haus. (Bei einem Todesfall wird die Bahre dreimal hintereinander auf die Türschwelle gesetzt, damit die Seele nicht mehr ins Haus zurückkommt. Und der Totenfuhrmann darf sich nicht umsehen, damit die Seele ja nicht mehr zurückfindet!)


Spiel mit dem Tod

Am Rößlgut zu Grub wurde bis in den späten Herbst hinein mit den Stecken das Getreide gedroschen. Dabei gab es mancherlei Gespräche. Ein junger Knecht meinte, er könne sich mit einem Strohhalm erhängen, ohne zu sterben. Sollte aber die Schlinge herhalten, dann müßten sie ihn abschneiden. Wie der Knecht es probiert, läuft ein Hase durch die Tenne, und alle Leute laufen ihm nach, ohne ihn zu erwischen. Wie sie zurückkommen, war der Knecht bereits tot.


Einbruch

Diebe versuchten, in die Stauf einzubrechen. Der Knecht hörte an der Tür ein Geräusch und merkte, wie sich eine Hand zum Schloß hereinzwängte. Er schlug dem Dieb die Finger ab, trotzdem konnten die Diebe unerkannt entkommen.


Das Zauberbuch

Ein alter Reitererbauer hatte im Stubenkastl ein Zauberbuch versperrt. In der Kirche denkte er daran, er hat aufs Zusperren vergessen. Stracks ist er heim und findet die Kinder beim Lesen des Buches und - die Stube voller Vögel. Sofort streut er Getreide in die Stube für die Vögel und liest alles zurück, was die Kinder bisher gelesen hatten. Zu allem Glück wurde er mit dem Zurücklesen früher fertig als die Vögel mit dem Fressen. So mußten sich die Vögel wieder zurückziehen.


Das Fronleichnamskranzl

Ein Weißenkirchner Bauer hatte eine besonders saubere, aber auch eitle Magd. Sogar der Leibhaftige kam zu ihrem Kammerfenster und begehrte Einlaß. Sie ließ niemand ein, aber dieser Herzensbrecher machte ihr angst und bang. Sie ging zum Pfarrer, der riet ihr: "Bind' ein richtiges Fronleichnamskranzl, bring's am Fronleichnamstag mit und dann häng es ans Fenster." Sie machte das Prangkranzl und hängte es ans Fensterkreuz. Wie in der nächsten Nacht der Teufel des Kranzl sieht, schreit er laut: "Scheiblkraut, Kudelkraut und Wiedridat - hat mich um mein Liebstes bracht!" - Mit einem feurigen Sprung war er für immer dahin.


Der Grundstrotter

Auf dem Weg von Pölzleiten nach Frankenmarkt steht beim Rudelbergerholz das "Hohe Kreuz". Nachts sahen die Leute oft einen Mann mit einer Furche auf der Schulter schnell ums Kreuz herumgehen. Ein mutiger Mann fragte ihn: "Was machst denn mit dieser Furche da?° - "Ich weiß nicht, was ich damit tun soll." "Dann leg sie hin, wo du sie hergenommen hast!" Von da an war dieser Spuk zu Ende.

Der Wetter-Jocherl, vulgo Wettermacher (gest. 1854 in Treml), hat durch Schießen und Beten in Pöndorf und Weißenkirchen Unwetter vertrieben, dafür bekam er ein "Vierterl" Getreide von den Bauern. An einem Sommertag sitzt er bei den Pöndorfern im Wirtshaus und erklärt feierlich: "Euch passiert heuer nichts, aber d' Weißkirchna zahl'n drauf, weil s' so sparsam waren!" In Pöndorf hat es furchtbar geschauert, und in Weißenkirchen passierte nichts.

Sonst sind die Weißenkirchner von Giga und Edt aus über die "Dreizehn Graben" zu den vierzehn Nothelfern nach Oberhofen gegangen. Ein alter Plainer machte den Vorbeter. Seit aber böse Zungen sagen, sie hätten den vierzehnten Nothelfer gestohlen, gehen sie nicht mehr dahin.


Kasermandln kamen bis nach Weißenkirchen

Beim Hager zu Röth hatten s' ein Dienstmensch, fleißig zur Arbeit, aber es stand mit den Untersberger Mandeln in Verbindung. Wenn die Bauersleute nachts Nachschau hielten, war es nicht da. Nun kommt ein kleines Mandl zum Bauern und sagt: "Der Korporal Pfitzi ist gestorben - 's Dienstmensch muß mit der Leich' gehn!" Richtig, in der Nacht war es weg und bei Tag wieder da.


Der Brot-Wasteltag (Fabian und Sebastian, 20. Jänner)

Der Geßlinger-Riedel wurde von der Pest besonders schwer heimgesucht. In jedem Haus gab es mehrere Tote. Da hörten Leute am Schindlauer Rain ein Vögerl singen: "Eßt Enzian und Bibernell - dann stehst du auf und stirbst nicht so schnell!" Bald ist die Pest gewichen, und die Leute gelobten, am Tag der Pestheiligen bei Brot und Wasser zu fasten. (Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde dieses Gelöbnis auch weithin eingehalten.)


Die Franzosennot 1799-1810

Die Landesgrenze war 1799 erste Kampflinie, darum hausten die Franzosen auch hier entsprechend. Drei Leute starben aus Angst vor den Franzosen. Den Hofbauer im Landl haben sie derart mißhandelt, daß er starb. Die "rote Ruhr" herrschte hier. Bauern säten den Hafer in den Schnee. In Raspoltsedt wurde ein Franzose unter einem Krautfaß begraben. In Freudenthal läuteten die Arbeiter aus Freude über den Abzug der Franzosen die gläserne Glocke so stark, daß sie einen Sprung bekam.


Johann Dopler, in: Der Bezirk Vöcklabruck, Eine Zusammenschau verfaßt von einer Arbeitsgemeinschaft, Linz 1981