DER MÖNCHSBERG BEI SALZBURG
Juvavia war einst eine Stadt mit prächtigen Mauern, ringsum von hohen Wällen eingeschlossen und überherrscht von mächtigen Türmen. Könige hatten daselbst Paläste, und die Götter herrliche Tempel, stolz von einem Volke der Vorwelt aus Marmor erbaut. Aber es kam über sie der Graus der Zerstörung durch die Gottesgeisel Attila, den Hunnenkönig, im Jahre 451.
Salzburg
Aus: Archontologia Cosmica (3. Auflage von 1695) und den Topographien
von Matthaeus Merian 1649
(Matthaeus Merian, geb. 22. September 1593 in Basel, gest. 19. Juni 1650
in Bad Schwalbach)
Als Attila gestorben war, kam aus dem Morgenlande ein heiliger Diener Gottes, Sankt Severinus, in dieses Land, übte große Wunder, weissagte und lehrte den Einwohnern das Christentum. Als Odoaker, der nachherige König in Italien, damals als ein armer Jüngling in dürftigem Gewande zu dem heiligen Manne kam, weissagte ihm dieser, daß er einst reich und mächtig werden würde. Da nun Odoaker hernachmals an der Spitze wilder Horden gegen die Römer zog, trat er, demütig um den Segen Severins bittend, in die Zelle des frommen Greises. Diesem ward bange für seinen geliebten Freund, den Priester Maximus in Salzburg, und er sendete Eilboten ab, den zu warnen und zu schleuniger Flucht zu ermahnen. Maximus hatte sich mit mehrern frommen Einsiedlern und Mönchen einen steilen, fast unzugänglichen Berg zum Wohnsitz gewählt und sich darin Treppen, Zellen und Kapellen ausgehauen. Davon heißt noch heute dieser Felsensitz der Mönchsberg. Maximus glaubte die Gefahr nicht so nahe und verweilte noch eine Nacht in seiner Einsiedelei, die man noch heute den Reisenden zeigt. Aber am frühen Morgen brach das Verderben herein. Ganze Scharen wilder Goten und Heruler überfielen die Stadt und die frommen Männer, hingen den ehrwürdigen Priester Maximus an einen Baum, rissen gegen fünzig seiner Freunde aus ihren Verstecken und schleuderten sie vom Felsen oder rollten sie in Fässern hernieder, in welche spitze Nägel eingeschlagen waren. Noch kündet eine Steinschrift am Mönchsberg den Tod der ersten Märtyrer dieser Gegend, und Salzburg lag fortan verödet hundertundfünf Jahre lang im Schutt und Graus, bis im Jahre 582 Sankt Rupertus, der neue Segensapostel dieses Landes, kam und das Kreuz wiederum erhöhte.
Quelle: Volkssagen, Mährchen und Legenden
des Kaiserstaates Österreich, Ludwig Bechstein, 1840