DER SCHLANGENFÄNGER ZU SALZBURG
In die alte und schöne Stadt Salzburg zog eines Tages ein berufener Zauberer, welcher ruhmredig verkündete, daß er alle Schlangen der ganzen Umgegend auf eine Meile Weges in eine Grube zusammenbringen und töten wolle. Solchen Antrag nahm die Obrigkeit zu Salzburg gern und willig an, wurde auch einig mit dem Schlangenbeschwörer um den Lohn, und nun begann derselbe, unter dem Zulauf vielen Volkes, an einem passenden Orte seine Beschwörungen.
Schlange
© Künstlerin
Maria Rehm
© Viktoria Egg-Rehm, Anita Mair-Rehm, für SAGEN.at
freundlicherweise exklusiv zur Verfügung gestellt.
Auf einer kleinen Pfeife pfiff er einen seltsamen, eigentümlichen und unnachahmlichen Ton, und siehe, zu aller Menschen Verwunderung kamen von Wegen und Stegen, aus Häusern und Kellern Schlangen herbei und ringelten sich in der Grube, daß es greulich anzusehen war. Immer noch blies der Zauberer auf seiner Pfeife und murmelte dazwischen die Formeln seiner Beschwörungen. Da kam zuletzt eine ganz alte und über die Maßen große Schlange, das war die Königin der andern, und bei ihrem Anblick erschrak der Zauberer so, daß das Pfeiflein seiner Hand entfiel und er einen Augenblick in der Beschwörung stockte. Flugs sprang die Schlange auf ihn zu, ringelte sich wie ein Gürtel um seine Weichen, schnürte ihm die Eingeweide zu und riß ihn machtlos in die Grube, wo die anderen Schlangen sich über ihn wälzten und ihn langsam zu Tode marterten. Niemand konnte es hindern, Entsetzen ergriff alle Schauenden, bang entflohen sie, und bald darauf verloren sich die Schlangen wieder dahin, woher sie gekommen waren.
Quelle: Volkssagen, Mährchen und Legenden
des Kaiserstaates Österreich, Ludwig Bechstein, 1840