DOKTOR FAUST IN SALZBURG
Es war um die erfreuliche Fastnachtzeit, als der weltberühmte Doktor Faust einige vertraute Freunde und Studenten in seiner Behausung bei sich sah und bis in die Nacht hinein mit ihnen zechte. Als das Getränk nun alle lustig und guter Dinge machte, gelüstete dem Faust nach einer kurzweiligen Fahrt, und da er wußte, daß in dem Keller des Bischofs zu Salzburg vor allen andern Kellern die feinsten und besten Weine lagerten, so richtete er dorthin seine Gedanken, trug sie seinen Kumpanen vor und forderte sie zur Begleitung auf. Das waren alle wohl zufrieden, gingen mit dem Meister in seinen Hausgarten, wo Faust sie eine Leiter ergreifen und sich darauf setzen hieß, jeder auf einen Sprossen, und so fuhren sie auf und davon durch die Luft.
Gegen Mitternacht kam die Gesellschaft in dem bischöflichen Keller an, schlugen Licht und zapften nun ungehindert die besten und köstlichsten Weine an und kosteten sie reichlich, waren über eine Stunde lang fröhlichen Mutes und leerten manchen Becher auf das Wohl des Bischofs, der ein so herrliches Weinlager hielt.
Mittlerweile saß der Kellermeister bei seinen Freunden, den andern Hofdienern, trockenen Schlundes, und gedachten auch Fastnacht zu halten; deshalb stieg er herab in den Keller, auch noch einen Schlaftrunk zu holen, und öffnete rasch die innere Kellertür. Da sah er mit Staunen Licht und die Schar nasser Brüder, die seine Erscheinung ihrerseits auch nicht ohne Schrecken gewahrten. Und alsbald hub der Kellermeister an zu schelten und zu rufen: "Diebe! Diebe!"
Da rief Doktor Faust seinen Gefährten zu, es möge ein jeder seine volle Flasche fassen und aufsitzen; er selbst drückte den Kellermeister auf die Leiter, sprach ein Zauberwort, und hui! fuhren alle aus dem Keller und durch die Lüfte von dannen. Bald überflogen sie einen Wald, da setzte Faustus den Kellermeister, der an allen Gliedern zitterte und schier des Todes war, auf dem Gipfel eines hohen Tannenbaumes ab und kam mit seiner Bursa und dem mitgenommenen Weine wohlbehalten nach Hause, wo sie Runda tranken, bis der Morgen graute.
Dem armen Kellermeister auf seinem Tannenbaume war schlecht zumute; er wußte weder, wo er war, noch wie er sich in der kalten Frostnacht erwärmen sollte, und vom Baume herabzusteigen vermochte er ebensowenig. Mit banger Seele erharrte er den lange zögernden Anbruch des Tages und schrie dann mit gellender Stimme um Hilfe, bis einige mit Viktualien nach der Stadt gehende Bauern ihn hörten, die ihm aber auch nicht vom Baume helfen konnten. Doch zeigten sie es zu Hofe an, wo man ihnen erst nicht glauben wollte, dann aber hinauszog in Begleitung vielen Volkes und mit großer Mühe den Kellermeister vom Baume brachte, der halbtot war und nicht auszusagen wußte, wer ihn auf den Baum geführt und in so großer Gefahr allda gelassen hatte.
Alte Urkunden bezeugen es, daß Salzburg in den ältesten Zeiten eigene Weinberge hatte. Von der Riedenburg bis zum Nonnenberge blühten einst Reben, doch allmählich verschwanden sie, und nur im Schlosse Weingarten außer dem Nonntale, in der Nähe der herrlichen Leopoldskrone, erhielt sich ihr Name.
Quelle: Volkssagen, Mährchen und Legenden
des Kaiserstaates Österreich, Ludwig Bechstein, 1840