DIE VIER MUSIKANTEN
Anno 1661 wanderten vier junge Musikanten fürbaß von Tirol nach Oberösterreich. Ihr Weg führte sie auch am Untersberge vorüber, von dessen Sagen und Wundern sie schon so vieles gehört hatten. Als sie abends zur Brücke in Niederalm gelangt waren, fuhr's dem einen durch den Kopf, und er sagte zu seinen Kameraden: »Wie war's, wenn wir heute um Mitternacht dem Rotbart ein Ständchen brächten; vielleicht können wir dabei unsere Säcke mit den Schätzen des Wunderberges füllen?«
»Sprich doch nicht so gottlos, Paul!« rief erschrocken der Jüngste.
Die beiden anderen aber erwiderten lachend: »Wir sind dabei, ganz recht! Laßt es uns einmal in der Unterwelt versuchen, weil es uns da heroben so miserabel geht. Aber auch Robert muß von der Partie sein, damit das Quartett vollständig ist.«
Robert, dem Jüngsten, half kein Sträuben; er wurde von seinen Genossen mit Gewalt den Untersberg hinangeführt.
Gerade als es zu Niederalm zwölf schlug, begann das Konzert.
Die vier Musikanten
© Künstlerin
Maria Rehm
© Viktoria Egg-Rehm, Anita Mair-Rehm, für SAGEN.at
freundlicherweise exklusiv zur Verfügung gestellt
Sie hatten kaum wenige Minuten gespielt, so erschien die Kaisertochter und lud die vier Musikanten ein, ihr zu folgen. Diese taten, wie ihnen geheißen, und folgten ihrer Führerin in den Berg. So gelangten sie in die Kaiserhalle. Daselbst saß der alte Kaiser in seiner gewohnten Weise, umgeben von einem ganzen Hofstaate kleiner, niedlicher, nur etwas altfränkisch gekleideter Herren. Die Prinzessin winkte den erstaunten Musikern, und diese begannen ihr Spiel.
Der Kaiser nickte Beifall, als sie geendet hatten, und mit ihm alle die edlen Herren. Auf ein gegebenes Zeichen eilten kleine, lustige Pagen herbei, beladen mit goldenen Schüsseln und Bechern, und reichten den Musikanten Speise und Trank in Hülle und Fülle. Während des Schmauses, der ihnen gar sehr mundete, warfen sie wohl auch ihre Blicke im Saale umher und gewahrten große Schätze von Gold und Silber. Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, hieß es wieder: »Spielt, Musikanten!«
Wieder erklangen die Instrumente, und abermals nickte der Kaiser und sein gesamter Hofstaat Beifall. Nach einer geraumen Zeit wurden die vier Musici endlich huldvollst entlassen und konnten es kaum erwarten, bis sie ihren Lohn, der, wie sie hofften, doch sehr groß ausfallen müsse, erhielten. Allein, wie sehr wurden sie enttäuscht! Als am Ausgange aus dem Berge ihr kleiner Führer von ihnen schied, überreichte er jedem von ihnen einen grünen Zweig und verschwand blitzschnell vor ihren Augen.
Das verdroß sie baß, mit Ausnahme Roberts. Der hielt, noch entzückt über das Gesehene, den Zweig wohl in Ehren, die übrigen drei aber warfen mürrisch die unscheinbare Gabe von sich und schimpften weidlich über den Geiz des Kaisers und seiner Tochter.
So zogen sie verdrossen ihrer Heimat zu. Zu Hause angekommen, übergab Robert seiner jungen Frau den Zweig und erzählte ihr, was er und seine Genossen Wunderbares erlebt.
Noch während er das erzählte, wurde der Zweig in der Hand der jungen Frau schwerer und schwerer, und als er geendet hatte, vermochte sie denselben kaum mehr in der Hand zu halten, so sehr hatte er an Gewicht zugenommen.
Erstaunt untersuchten nun beide den Zweig näher, und siehe da: Das Geäste hatte sich in pures Silber, die Blätter in Gold verwandelt. Das war ein Jubel ohne Ende.
Als aber Roberts Kameraden davon erfuhren, ärgerten sie sich weidlich, wagten sich aber doch nicht mehr nach dem Untersberge zurück, wohl fühlend, daß sie ohnehin für ihren Vorwitz nur gelinde gestraft seien. Robert führte fortan ein zufriedenes und glückliches Leben, nach dem er sich schon so oft gesehnt hatte. Er ging nicht mehr auf Reisen, und als seine Söhne heranwuchsen, schärfte er ihnen das Wahrwort wohl ein: »Wer das Kleine nicht ehrt, ist des Großen nicht wert.«
Quelle: Freisauff, R. von, Salzburger Volkssagen,
2 Bde., Wien/Pest/Leipzig 1880, Bd. I, S. 22 f.