KAISER FRIEDRICH IM UNTERSBERGE
Kaiser Friedrich Barbarossa war vom Papste in den Bann getan worden; alle Kirchen verschlossen sich ihm, kein Priester fand sich, der ihm die Messe lesen oder gar das heilige Abendmahl spenden wollte.
Der Kaiser kam gegen Salzburg, um Ruhe zu finden. Er fand sie nicht; auf den Waiser Feldern traf er mit dem Erzbischof von Salzburg zusammen; es kam zwischen ihnen zu einem heftigen Streit, der damit endete, daß der Erzbischof ihm fluchte und erklärte: »Der Kaiser soll so wenig bei Gott Gnade finden, als der Birnbaum auf dem Waiser Felde je wieder Blätter und Blüten treiben wird.« Damit ließ er den Baum vor den Augen des Kaisers kurz über der Erde fällen.
So kam die heilige Osterzeit heran. Der edle Kaiser wollte das heilige Fest nicht stören und der gläubigen Christenheit kein Ärgernis geben, so ritt er denn zur Jagd.
Er legte ein kostbares, von Indien ihm gesandtes Gewand an, nahm ein Fläschchen mit wohlriechendem Öle zu sich und bestieg sein feuriges Roß. Keiner von des Kaisers Leuten kannte jedoch sein Vorhaben. Die Jagd verlor sich bald tiefer in den Wald, und nur wenige seines Gefolges vermochten dem kaiserlichen Herrn zu folgen. Da, auf einer Lichtung angelangt, nahm Kaiser Friedrich plötzlich ein wunderbares Fingerlein in seine Hand und verschwand vor den Augen seiner Begleiter.
Vergebens durchforschten seine Getreuen die Wälder, durchstöberten die Schlucht, riefen seinen Namen. Er war und blieb verschwunden. Niemand ahnte, wohin er gekommen war.
Seit jener Zeit aber haust er im Untersberge.
Quelle: Freisauff, R. von, Salzburger Volkssagen,
2 Bde., Wien/Pest/Leipzig 1880, Bd. I, S. 22 f.