KAISER FRIEDRICH UND DER HIRTENKNABE
Ein Hirte trieb einst bei hereinbrechendem Abend seine Herde, am Fuße des Unterberges entlang, heimwärts. Ein lustiges Stücklein nach dem anderen blies er auf seiner Schwegelpfeife, und eben hatte er wieder eines beendet, als er ausrief: »Kaiser Friedrich, das habe ich dir zu Ehren getan!« - Kaum hatte er diese Worte gesprochen, kam ein Männlein aus dem Berge auf ihn zu und winkte ihm zu folgen. Der Hirte tat es. Als sie eine gute Weile gegangen waren, gelangten sie zu einer eisernen Türe, welche in einen großen, prächtigen Saal führte. Viele tapfere und edle Herren waren da um Friedrich den Rotbart versammelt und dienten ihm. Der Hirte sah alles mit Staunen. Da fragte ihn der Kaiser: »Was soll der Lohn sein für dein Lied?« Und bescheiden antwortete jener: »Ich beanspruche keinen!« Auf dies hin brach Friedrich von einem goldenen Handfaß einen Fuß ab und schenkte ihn dem Hirten. Auf einen Wink des Kaisers führte ihn hierauf ein Diener aus dem Saal durch den ganzen Palast, ihm all die Herrlichkeiten zeigend. Da sah er einen großen Vorrat von Waffen aller Art, mit denen, wie der Diener sagte, der Kaiser einst seine Mannen bewaffnen und kommen werde, um das Recht wiederherzustellen.
Hierauf verließ der Hirte den Untersberg und kehrte in sein Heimatdorf zurück. Den goldenen Fuß aber machte er zu Geld und wurde ein steinreicher Mann. Dabei vergaß er nie der Armen und teilte ihnen von seinem Reichtum mit. Der Segen Gottes waltete auch über ihm und seinem Haus, und nichts fehlte ihnen.
Als er jedoch starb und all seine Habe in die Hände seiner Verwandten überging, welche, so plötzich wohlhabend geworden, dem Hochmutsteufel anheimfielen, da schwand allmählich der mühelos erworbene Reichtum, und sie endeten schließlich als Bettler.
Quelle: Adrian Karl, Alte Sagen aus dem Salzburger
Land, Salzburg 1948, S. 195 f.