DAS THURNSCHALLWEIBL
In den Trümmern der alten Burg haust eine verwunschene Rittersfrau, sie wird im Volke kurzweg das Thurnschallweibl genannt. Seit langer Zeit wartet es vergebens auf Erlösung.
Es muß die verborgenen Schätze hüten, dabei ist ihm ein schwarzer Hund behilflich, der gemeinsam mit dem Thurnschallweibl die schweren Geldtruhen bewacht. Gar manche haben das Weibl und auch den Hund schon gesehen, aber niemand hatte bisher noch den Mut, ihnen zu folgen. Dem Mutigen würde das Thurnschall- weibl die reichen Schätze zeigen, er könnte nehmen, soviel er wollte und die verwunschene Frau wäre zudem von ihrem Bann erlöst. Weil aber diejenigen, die die Gnade und die Gelegenheit hiezu gehabt hätten, es nicht taten, so muß daher das Thurnschallweibl sein unstetes Geisterleben bis zur Erlösung weiterführen. Des Nachts sitzt es nun oft auf den Mauern der verfallenen Burg und jammert so herzzerreißend, daß dem vorüberziehenden Wanderer ganz angst und bange wird und er sich bekreuzend das Weite sucht. Wann wird das klägliche Jammern der Unglücklichen nach Erlösung wohl erhört werden ?
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu
bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 79