DER VENEDIGER AUF DEM HUNDSSTEIN

Auf dem Hundsstein verstiegen sich einst die Kühe und Ziegen eines Hirten, ohne daß sie dieser zurückzutreiben vermochte. Er nahm daher Steine, warf sie auf das Vieh und zwang es auf diese Weise zur Rückkehr. Mit einem Male stand ein Mann neben ihm und rief ihn an: „Wirf nicht die Steine weg, um das Vieh zu bekommen; sie sind wahrlich mehr wert als alle deine Kühe und Ziegen!" Darauf war er wieder verschwunden. Als nun der Hirt die Steine näher besah, entdeckte er, daß sie lauteres Gold enthielten und er sammelte deren so viele, daß er ein schwerreicher Mann wurde. Der Mann jedoch, der ihm so unerwartet erschienen und ebenso rasch wieder verschwunden war, war ein Venediger. Ein solcher wußte mehr als andere Leute, denn ihm stand der Bergspiegel zu Gebote, mit dem er von Venedig aus in das Innere der Berge schauen konnte; ihm war auch die Kunst zu eigen, aus allem Gold machen zu können.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 121