DIE BURGFRAU VON RAMMENSTEIN
Einst hauste auf der Burg zu Ramingstein ein mächtiger Ritter, dessen Gemahlin wegen ihrer Leutseligkeit und ihres stets hilfsbereiten Wesens allgemein beliebt war. Da begab es sich, daß sie sich bei einer Jagd von der übrigen Gesellschaft allzusehr entfernte und schließlich im dunklen Forste nicht mehr aus und ein wußte. Lange irrte sie nun in dieser Waldwildnis umher, ohne einen Ausweg zu finden, bis sie schließlich von dem vielen Umherwandern müde, erschöpft zu Boden sank. Da erblickte sie in ihrer Nähe eine sprudelnde Quelle, welche aus dem zerklüfteten Felsgestein hervortrat. Sie labte sich an dem erfrischenden Wasser, benetzte sich damit Gesicht und Augen und ließ sich daneben zur Ruhe nieder. Da sie aber sehr ermüdet war, sank sie bald in einen wohltätigen Schlaf. Lauter Hörnerklang, welcher näher und näher kam, ließ sie aus ihrem Schlummer wieder erwachen und verkündete, daß man nach ihr auf der Suche war und ihre Rettung nahe sei. Unter lautem Jubel wurde der Rückweg in die Burg angetreten. Aus Dankbarkeit und zur bleibenden Erinnerung ließ sie in der Nähe der Quelle eine der Gottesmutter geweihte Kapelle errichten, aus welcher später das heute vielbesuchte Wallfahrtskirchlein Maria Hollenstein entstand. Das Wasser der in der Nähe sprudelnden Quelle wird auch heute noch als besonders heilwirkend für die Augen angesehen, und viele fromme Wallfahrer benetzen sich damit Gesicht und Augen.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu
bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 88