GESPENSTER AUF SCHLOß MAUTERNDORF

In alten Zeiten sollen die unglücklichen Gefangenen in der Tiefe des Faulturmes verwahrt worden sein. Finsternis, Hunger und Kälte waren dort ihre Gefährten, und gar mancher mußte hier einsam und verlassen sein Leben aushauchen. Nun irrt sein Geist darin umher, ohne einen Ausweg aus dem furchtbaren Gelaß zu finden. In gewitterschweren, stürmischen Nächten, wenn der Sturmwind heult, in wütendem Ansturm das Schloß überfällt und an seinen Mauern und Türmen vergebens rüttelt, da erwachen die Geister, beginnen über ihr Los zu klagen und in herzzerreißenden Tönen um Erlösung zu flehen. Ihre Rufe vermischen sich mit dem Geheul des Sturmwindes, der sie erfaßt und mit sich fortführt, in weite unbekannte Femen. Wenn sich dann der Sturm legt und es wieder ganz still und ruhig wird, so hören die Geister zu klagen auf, ihre lauten Rufe verstummen und Grabesstille umzieht das düstere Gemäuer des alten Turmes.

Auch erzählt man sich von einem Priester, der im Schlosse wegen eines Vergehens gegen die Gesetze seines Standes lebendig eingemauert wurde. Nur in Kopfhöhe soll ein kleines Loch freigelassen worden sein, damit man ihm Nahrung reichen konnte. Schließlich wurde aber auch diese Öffnung vermauert und dieser Unglückliche starb eines schrecklichen Todes. Lange Zeit gingen die Besucher des Schlosses nur mit geheimem Grauen an jener Stelle vorüber, an der der arme Priester seine Strafe erlitten haben soll.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 69