Die Hexenglocke zu Muhr
Die zweite oder mittlere Glocke der Pfarrkirche zu Muhr heißt auch die Hexenglocke. Sie hat weder Aufschrift noch sonstige Verzierungen. Diese Glocke deutet auf hohes Alter; denn sie ist am untern Rande sehr zackig oder, wie man sagt, durch langen Gebrauch ausgeschlagen, hat eine längliche, nicht gewöhnliche Form und ihr Metall einen grünspanartigen Überzug. Das Hexenmal hat sie an der innern Ausbiegung, es sieht aus wie eine kleine, noch nicht ganz geöffnete Kluft. Als einst der leidige Teufel auf einem schrecklichen Hochwetter gegen das Tal hereinfuhr, so erzählt die Sage, um alles zu vernichten, da zog der Mesner die geweihte Glocke zum "Ave Maria", und auf den Knien betete das ganze Tal um Abwendung des gräulich herein hangenden Hochwetters und Satanas mußte zurück.
Aus Rache entsandte er aber eine mit ihm im Bunde stehende Hexe, sie sollte die geweihte Abendglocke durch einen Nagelschlag verstummen machen. Die Hexe, des Winks ihres Höllenfürsten gewärtig, flog um Mitternacht durch die weite Öffnung zur Glockenstube und hämmerte und schlug und klopfte mit dem gewaltigen Höllenhammer - doch das Metall war hart, noch härter durch die hl. Weihe, der Nagel wollte nicht durchdringen, da schlug die Stunde eins, und - die Stunde für Hexen, Geister und Kobolde war vorüber - die Hexe hatte ihr Höllenwerk erst halb vollbracht, als sie, weil's ein Uhr schlug, fort mußte.
Daher das Hexenmal; seither hat die Glocke ihren Klang verloren, und wenn man ihre Glockenzunge noch helltönend früher bis zu dem dreieinhalb Stunden entfernten Weißeck hörte, so vernimmt man ihr Summenjetzt kaum mehr auf eine halbe Stunde im Umkreise. Das hat die Hexe getan.
Quelle: Nikolaus Huber, Fromme Sagen und Legenden,
Salzburg 1880, S: 115f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg,
München 1993, S. 178.