VOM GNADENBILD DES HEILIGEN LEONHARD
Über dem Markte Tamsweg erhebt sich auf einem Vorhügel des Schwarzenberges die herrliche St.-Leonhard-Kirche und grüßt von ihrer Höhe aus gar freundlich hernieder in das Tal der Mur. Über die Entstehung dieser berühmten Wallfahrtskirche wird folgendes erzählt:
Als Conrad der Gar Vikar von Tamsweg war, ging das auf dem Altar der Pfarrkirche aufgestellte Bild des heiligen Leonhard, der vom Volke von altersher als Viehpatron verehrt wurde, verloren. Bald darnach fand man dasselbe auf dem Vorhügel des Schwarzenberges an einem Kranawitt-baum auf. Man brachte es in die Pfarrkirche zurück, von wo es aber bald wieder verschwand, um wieder droben auf dem Berge an demselben Baume gefunden zu werden. Als sich dies mehrmals wiederholt hatte, wurde das Bild in Gegenwart mehrerer Priester und anderer Zeugen in eine Truhe getan und unter Schloß und Siegel verwahrt. Von den sieben verschiedenen Schlössern, mit welchen die Truhe versperrt wurde, nahm jeder der Anwesenden einen Schlüssel zu sich. Trotzdem das Bild nun unter Sperr und Siegel war, wurde die Truhe, als man Nachschau hielt, abermals leer gefunden und das Bild befand sich zur Verwunderung aller wieder an dem gleichen Baumstamm auf dem Berge droben. Da die Kunde von diesem wunderbaren Vorkommnisse sich rasch verbreitete, so pilgerte bald viel Volk zu dem Gnadenbilde, und dieser Zustrom wurde noch größer, als sich kurz darauf mehrere wunderbare Krankenheilungen ereigneten. Man beschloß alsbald, an dieser Stelle eine Kirche zu errichten und mit ihrer Erbauung wurde Peter Harperger aus Salzburg betraut. So erstand um 1433 die schönste gotische Kirche des Landes Salzburg, um die sich manch sinnige Sage rankt.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu
bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 56