Die Wetterhexe
Zu St. Margarethen lebte einst ein liederliches Weibsbild, von welchem im Volke die Rede ging, daß es eine Hexe und mit dem Teufel im Bunde sei. Da dies Gerede immer ärger wurde und auch zu den Ohren des Pfarrers drang, ließ sie dieser zu sich rufen und redete ihr ernstlich ins Gewissen, sich zu bessern und ein ordentliches Leben zu führen, damit die Leute sich nicht an ihr zu ärgern brauchten. Doch sie blieb verstockt und gab auf die gutgemeinten Worte des Pfarrers die trotzige Erwiderung, was sie tue, gehe niemanden etwas an. Da rief der Pfarrer erregt aus: "So bist du also wirklich eine Hexe, da du dich nicht bessern willst?" Darauf erwiderte das Weibsbild mit einem boshaften Lächeln: "Ich werde dir schon zeigen, was ich bin!" Sprach's und verschwand aus dem Zimmer.
Im Sommer war dieses Weibsbild Sennerin auf einer Alm. Da zog einmal von jener Almhöhe, auf der sich diese Sennerin befand, ein schreckliches Ungewitter herab und entlud sich über St. Margarethen und dessen Umgebung. Am ärgsten aber hauste der Hagel in des Pfarrers Garten, wo alles zerschlagen und vernichtet wurde. Spannhoch lagen die Hagelkörner in seinem Garten angehäuft, und all die schönen Blumen- und Gemüsebeete glichen einer öden Wüste. Voll Sorge ging der Pfarrer hinaus in den Garten und besah sich den Schaden, den das Hagelwetter angerichtet. Da sah er zu seiner größten Überraschung, daß in einem der großen Hagelkörner Weiberhaare eingeflochten waren. Diese konnten nur von einer Hexe stammen, die sich ihrer zum Wettermachen bedient hatte. Und wer konnte das anders gewesen sein als die Hexensennerin?
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volksleben. Schilderungen und Volksbräuche, Geschichten und Sagen aus dem Lungau, Tamsweg 1913; neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 183f.