Der gebannte Dieb
Mein Urahnl", erzählt Rubert Leiner, der Jörgbauer aus Rauris, "hat einstmals drei Säcke Weizen auf das oberste Weizenfeld zum Säen getragen. Nachdem er zwei Säcke voll ausgesät hatte, war es Abend geworden, und er ließ den dritten gefüllt auf dem Felde stehen. Der Knecht aber meinte: "Wollen wir ihn nicht hinabtragen, daß ihn niemand stiehlt?" Der Urahn aber sagte: "Es ist himmelschönes Wetter, laß ihn liegen, es stiehlt ihn niemand." Als dann anderen Tags früh der Knecht hinauf kam, fand er einen Mann auf dem Felde, der den Sack Weizen auf dem Rücken hatte. Schnell sprang der Knecht zum Bauern hinab und sagte: "Bauer, komm rasch, oben steht einer, der hat deinen Weizen auf dem Rücken. " - "Nun muß ich wohl "gach" (jäh, sofort) hinauf", erwiderte der Bauer und stieg hinan. Auf dem Felde aber sagte er zu dem Diebe: "Gib den Sack nun herab, du weißt jetzt, daß du nicht wiederkommen darfst." Der Bauer hatte ihn "anbannt" (angebannt)."
Quelle: Marie Andree-Eysn, Volkskundliches. Aus dem
bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, Nr. 38,
zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 84.