Die schwarze Kugel
Auf der Krapflalm in Kaprun gab es einst eine böse Zeit; die Melker, in deren Obhut das Vieh daselbst gestanden war, hatten nichts zu lachen, denn jede Woche hieß es: "Heute ist schon wieder eine Kuh hin und noch dazu die schönste, wie immer!" Keine einzige aber stand im Gehege herum, sondern alle wurden auf der Weide vom plötzlichen Tode dahingerafft. Das Kurioseste jedoch an der ganzen Geschichte war, daß jedes Stück Vieh, das tot aufgefunden wurde, einen schwarzen Eisenring um den Hals hatte. Da sagten die Melker zueinander: "Buben! Gott behüte und besegne uns! Das geht nicht mit richtigen Dingen zu!" - und schickten nach Hundsdorf um einen Franziskaner, damit dieser dem Teufelsspuk ein Ende machte. Der machte sich sofort mit dem Mesner auf den Weg nach der Alm, doch durfte während des ganzen Aufstiegs kein Wort gesprochen werden.
Oben angekommen, machte der Pater auf einem freien Platz einen großen Kreis, trat in denselben und forderte den Mesner und die Melker auf, das gleiche zu tun. Diese taten, wie ihnen geheißen, und nun begann der Franziskaner die Beschwörungsformel aus einem Buche zu rezitieren. Nachdem er so eine Weile gelesen hatte, kam aus dem nahen Walde auf einmal eine große, schwarze Kugel zum Vorschein, rollte zu Tal und fiel drunten über das "Wändgeschröf" hinab, ohne daß sie später aufgefunden werden konnte. Von diesem Tag an blieb das Vieh verschont. Auf der Kugel aber wollten die Melker den leibhaftigen Gottseibeiuns sitzen gesehen haben.
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen,
Bd. 2, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 237f, zit. nach Leander Petzold, Sagen
aus Salzburg, München 1993, S. 115.