Der Wettermacher auf der Dürnbachalm
Auf einer Alm im Dürnbachtal war viele Jahre lang ein alter Melcher.
Die Leute fürchteten ihn, weil er angeblich geheimnisvolle Kräfte
besaß.
Es war an einem heißen Sommertag, da stand der Melcher mit dem
jungen Hüterbuben vor der Hüttentür. Der Alte schaute hinauf
zum blauen Himmel und meinte: "Hmhm, das wäre heute der richtige
Tag zum Wettermachen." "Was? Du kannst Wettermachen?",
fragte der Bub erstaunt, "Das glaub ich dir nicht!"
"Das wirst gleich sehen!" erwiderte der Melcher. Er schaute
sich um und ging dann zu einer ebenen Stelle auf dem Almboden. Neugierig
folgte ihm der Hüterbub.
Der alte Mann hatte zum Gehen immer einen langen Haselstock bei sich,
einen "Stackelstecken". Mit dem zog er jetzt tief gebückt
rund um den Buben einen Kreis. Dann sprach er leise und beschwörend:
"Bleibe ganz ruhig im Kreise stehn, sonst wird ein großes Unheil geschehn!"
Der unheimliche Senner machte seine Augen zu, breitete die Arme aus und
begann fremde Worte zu murmeln. Plötzlich überzog sich der blaue
Himmel mit dunklen Wolken, der Tag verkehrte sich zur Nacht, grelle Blitze
durchzuckten die Finsternis und grollender Donner ließ die Berge
erzittern.
Zu Tode erschrocken sprang der Bub aus dem Kreis und rannte zurück
in die Almhütte. Es begann zu hageln und ungeheuer zu schütten.
Auf einmal hörte er ein dumpfes Grollen: Gewaltige Wassermassen stürzten
durch den Dürnbachgraben und rissen alles mit, was sich ihnen in
den Weg stellte. In der braunen Flut wälzten sich Baumstämme
und Felsblöcke durch das Dürnbachtal .
Das Unwetter richtete im Dorf Neukirchen großen Schaden an.
Den geheimnisvollen Melcher von der Dürnbachalm hat man danach nie
mehr gesehen.
Quelle: Helene Wallner, Sagensammlerin und -führerin, Emailzusendung vom 3. Mai 2005