DIE WARNUNG DER BERGGEISTER
Nicht immer schlagen die Berggeister so arg zu; manchmal lassen sie den Menschen auch eine Warnung zugehen, sodaß sie sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können.
So war es auch einmal in der Christnacht im Knappenhaus zu Böckstein, da alle in der warmen Stube versammelt saßen, um die Zeit zum Aufbruch zur Mette abzuwarten.
Nach altem Brauch gingen nämlich die Knappen in dieser Nacht stets zusammen hinunter in die Nikolauskirche nach Badgastein. Plötzlich ertönte früher als gewöhnlich das Glöcklein zum Aufbruch.
Verwundert horchten die Knappen, wer zu so seltsamer Zeit geläutet habe. Gleich darauf kam das Zeichen zum zweiten Male, und diesmal noch eindringlicher und stärker.
Da folgten sie diesem Ruf, denn eine innere Stimme sagte ihnen, daß ein solches Geläute eine ganz besondere Bedeutung haben müsse.
Erst gegen Morgen kamen die Knappen von dem weiten Mettengang zurück. Doch welch Anblick bot sich ihnen! Eine riesenhafte Lawine hatte das ganze Werkhaus samt der Knappenstube meterhoch unter Eis und Schnee begraben! Die freundlichen Berggeister vom Radhausberg hatten die Menschen rechtzeitig gewarnt und gerettet.
Ähnlich erging es einmal zwölf Knappen, die in die Grube eingefahren waren und fleißig vor Ort arbeiteten.
Sie waren noch kaum eine Stunde am Werk, als es plötzlich laut und vernehmlich durch die Grube tönte: „Schicht aus!" *)
Und als sie dieser Aufforderung keine Beachtung schenkten, klang es noch einmal und diesmal sehr eindringlich: „Leute, Schicht aus!"
Sie eilten dem Ausgang zu und traten ins Freie.
In diesem Augenblick erscholl hinter ihnen ein ohrenbetäubendes Bersten und Krachen.
Der Berg war zu Bruch gegangen und hatte Stollen und Schächte zerschlagen.
*) Auch vom Ischler Salzberg gibt es eine solche „Schicht aus“-Sage (Depiny).
Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 171.