Der verzauberte Stollen
Der Gewerke Hans Maier, der noch einen besonders wertvollen Stollen besaß, hatte eine Tochter des altangesehenen Gewerken Zott zur Frau. Aber Frau Margarete war evangelisch, während ihr Gatte katholisch geblieben war. So stand die Frau vor der Entscheidung, ihrem Glauben abzuschwören oder Mann und Kinder zu verlassen. Schweren Herzens zog die Frau in die Verbannung, doch der Schmerz der Trennung drückte ihr fast das Herz ab, so daß sie eines Tages plötzlich und ganz geheim zurückkehrte, um Kinder und Gatten zu sehen. Aber wachsame Späher hatten sie verraten, erbarmungslos von ihren Lieben hinweggerissen und lange in harter Kerkerhaft gehalten, endlich für immer des Landes verwiesen. Schweigend, mit starren Augen verläßt sie den Kerker und erfahrt, daß ihr selbst ein letzter Abschied von den Ihren verwehrt ist.
Da faßt sie den Entschluß, mit den Knappen, die mit ihr in die Verbannung gehen, die reichen Silberadern im Angertale zu verschütten und zu verzaubern; dazu legte sie in den Schacht drei Eier und eine Gans aus Eisen und ein hartes Brett aus Lärchenholz, auf daß solange den Eingang niemand finde, bis Holz und Eisen zu Staub zerfallen wären. Dann wurde der Schacht vermauert und mit Schutt bis zur Unkenntlichkeit bedeckt.
Dann ging sie ins Elend, in die Verbannung.
Den Stollen wollte schon mancher suchen, aber vergeblich.
Quelle: Karl D. Wagner, Gasteiner Sagen, Bad Gastein
1926, S. 109 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München
1993, S. 212.