Der gußeiserne Hirsch
Auf seinem Schlosse zu Salzburg lebte vor vielen hundert Jahren ein Fürst, der mit wahrer Leidenschaft dem edlen Weidwerke frönte. Um seine Herrscherpflichten kümmerte er sich wenig und ließ seine Räte schalten und walten, wie's ihnen beliebte, wenn nur er im Jagdvergnügen nicht gestört wurde. Von Natur aus ein gar strenger Herr, kannte sein Zorn gegen Wilddiebe keine Grenzen, und wehe, wenn ein solcher ergriffen wurde, ihm war der peinlichste Tod gewiß.
Anfänglich ließ er jeden Wilderer, dessen er habhaft wurde, auf einen lebenden Hirsch schmieden und gab dem Tiere dann die Freiheit, das die ungewohnte Last auf jedmögliche Weise abzuschütteln suchte und dabei dem Opfer menschlicher Grausamkeit oft die namenloseste Pein bereitete. Da er aber vernahm, daß hie und da ein Wilddieb seinem fürchterlichen Schicksale dadurch entrissen wurde, daß seine Genossen den Hirsch erlegten, sann er auf andere Strafe, der der Wildfrevler nimmer entrinnen sollte. Er ließ einen Hirsch aus Gußeisen herstellen, dessen Körper hohl war. Wurde ein Wildschütze eingefangen, so setzte man ihn auf diesen Hirsch und kettete ihn fest an. Sodann füllte man den hohlen Raum mit Brennstoff und entzündete diesen. Nach und nach wurde das Eisen rotglühend und der arme Wilderer auf entsetzliche Art zu Tode gebraten.
Für seine beispiellose Grausamkeit erntete der Fürst aber auch eine fürchterliche Strafe. Er wurde von einer schrecklichen Krankheit befallen, welche kein Arzt kannte, noch auch zu heilen vermochte. Sein ganzer Körper bedeckte sich mit Geschwüren und Beulen, aus welchen zahllose Läuse hervorkrochen. Was nützte es, daß er täglich in die köstlichsten Bäder gesetzt und von dem ekelhaften Ungeziefer gereinigt wurde; je mehr von diesen garstigen Tieren vertilgt wurden, desto mehr wuchsen wieder nach. Dem Rate seiner Leibärzte Folge leistend, ließ er sich nach Blühnbach bringen. Aber auch der Aufenthalt im Blühnbachhain half nichts mehr; die Krankheit nahm immer mehr überhand.
Eines Tages fand man ihn auf einem Bühel, wohin er sich hatte tragen lassen, tot. Das Ungeziefer hatte ihn getötet. Seit jener Zeit führt dieser Bühel den Namen "Lausbühel".
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen,
Bd.2, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 645f, zit. nach Leander Petzold, Sagen
aus Salzburg, München 1993, S. 144.