Juvavia

Bis dicht an den Fuß des Untersberges erstreckte sich einst die alte Römerstadt Castrum Juvavum oder auch kurzweg Juvavia geheißen, zu deutsch die Helfenburg. Kaiser Julius Cäsar gilt als der Gründer des Kastells, der es zum Schutz des Römerreiches wider die mächtigen Germanen angelegt und mit einer starken Besatzung versehen hatte, indes Kaiser Hadrianus dortselbst eine römische Kolonie angesiedelt haben soll. Diese Stadt blühte in wenigen Jahren zu ungeahnter Größe empor und breitete sich weit über jene Gefilde aus, in welchen die heutige alte Bischofsstadt Salzburg liegt. Allein mit der Größe der Stadt wuchs auch die Sündenlast der Einwohner, die bald weder die Götter noch den einigen Gott ehrten und allen möglichen Lastern frönten, so daß endlich Gottes Strafgericht über die sündige Stadt hereinbrach.

In einer Nacht des Schreckens und Entsetzens versank die ganze Stadt mit Mann und Maus; an ihre Stelle trat ein weites, ödes Moor (Moos), das noch heute in unabsehbarer Fläche sich längs des Untersberges hinzieht. Dort ist es zur Nachtzeit nicht geheuer, denn Geister treiben daselbst ihren unheimlichen Spuk, verlocken den arglosen Wanderer und ziehen ihn dann hinab in die unergründlichen Tiefen.

Unter Erzbischof Johann Ernest, Graf von Thun, suchte man in den Moorgründen nach der versunkenen Stadt; eine alte Mauer, welche sich vom Mönchsberg unweit des Daunschlosses im Weingarten herabzog, hielt man für eine Ruine der alten Juvavia, und eine Inschrift, welche jener Erzbischof diesbezüglich in Stein
hauen ließ, bildet den Stützpunkt dieser Sage.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 352f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 136.