Vermutungen über den Tod des Paracelsus

Als Theophrastus Paracelsus gewahr wurde, daß er von seinem eigenen Apotheker Gift empfangen hatte und rettungslos verloren sei, da es zu spät war, die tödliche Wirkung desselben zu hintertreiben, wollte er wenigstens nicht ungerächt aus der Welt scheiden. Er malte sich also das Bild des Apothekers an eine Wand seines Zimmers, nahm eine Pistole, richtete deren Lauf genau auf das Konterfei und drückte los. Zur seIben Minute stürzte auch der Apotheker tot zusammen. So rächte sich Paracelsus sterbend an seinem Mörder.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 290, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 99.

*

Des Doktors Theophrastus Wirken hatte in Salzburg viele Neider gefunden. Gar oft trachtete man ihm nach dem Leben, immer aber vergeblich. Da faßten seine Feinde den Entschluß, ihn mittels Gift in ein besseres Jenseits zu befördern: Es gelang ihnen auch wirklich, dem Theophrastus Diamantenkörner beizubringen. Wie er dieselben in seinem Körper wirken fühlte, hieß er seinen Diener fortgehen und sich vor Sonnenaufgang nicht blicken lassen. Dann fing er zwei Spinnen und ließ sie in seinen Magen hinab, damit sie ihm die Diamantenkörner heraufzögen. Schon hatten die beiden Tierchen beinahe diese bis in den Mund gebracht, und die nächste Minute wäre Theophrastus gerettet gewesen, da öffnete der Diener die Türe, das Geräusch erschreckte die Spinnen, sie ließen die Körner wieder in den Magen hinabfallen, und Theophrastus war nunmehr unrettbar dem Tode verfallen.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 293, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 99.

*

Paracelsus war einstmals mit einem anderen Kollegen zu einem Gastmahle geladen worden; daselbst waren aber auch seine Widersacher und Neider erschienen, diese hatten seinen Tod beschlossen. Als der gelahrte Doktor den Heimweg antrat, ward er von Dienernder anderen Doktoren und gedungenen Mordgesellen ergriffen und von einer Berghöhe in eine Schlucht gestürzt, so daß er sich das Genick brach. Auf andere Weise war ihm ja nicht beizukommen gewesen; so mußte er denn eines gewaltsamen und erbärmlichen Todes sterben.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 291, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 100.

*

Eine letzte Sage endlich erzählt, daß Theophrastus Paracelsus von Hohenheim nicht viel über ein Jahr in Salzburg lebte. Er fiel einer Verschwörung, welche die übrigen Ärzte gegen ihn angezettelt hatten, zum Opfer. Bei einem Gelage im Wirtshause zur rostigen Pechpfanne im Kai wurde er nämlich während einer fingierten Rauferei über zwei Stiegen herabgeworfen, erhielt einen Schlag auf
den Schädel und noch andere Wunden, denen er bald darauf auch erlag.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 294, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 101.

*

Da Theophrastus fühlte, daß all seine Kunst nicht imstande sei, wider den Tod siegreich anzukämpfen, rief er seinen Diener, gab ihm ein Schächtelchen voll Pulver und sprach: "Sobald mein Leib kalt geworden, zerhackst du ihn, so klein du kannst, bestreust den Brei mit diesem Pulver, gibst alles sodann in ein Gefäß und verschließest dasselbe sorgfältig. Ganz besonders lasse dir aber das ans Herz gelegt sein: Öffne das Gefäß ja nicht vor Ablauf von neun Monaten." Der Diener versprach zu tun, wie ihm befohlen, und Theophrastus starb beruhigt. Getreulich vollführte nunmehr der Diener, was ihm aufgetragen war, und bewahrte sorgfältig das Gefäß. Allein die Neugierde lockte ihn unwiderstehlich, und ohne die neun Monte abzuwarten, öffnete er schon nach sieben Monaten das Gefäß. Da zappelte in demselben ein kleines Kind, das aber in Folge Zutritts der Luft sofort starb. Hätte der Einfaltspinsel es über sich gebracht, die vollen neun Monate abzuwarten, wäre Theophrastus sicherlich wieder jung und frisch ins Leben gekommen.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 290f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 101.